Valenzbindungstheorie

Die Valenzbindungstheorie (VB-Theorie), auch Valenzstrukturtheorie, Elektronenpaar-Theorie, Heitler-London-Theorie oder engl. Valence Bond Theory genannt, ist ein von Walter Heitler und Fritz London 1927 entwickeltes quantenmechanisches Näherungsverfahren zur Beschreibung von Atombindungen in mehratomigen Systemen mit dominierendem Zweielektronen-Verhalten (z. B. werden bei Molekülen aus zwei Alkali-Atomen die beiden „Leuchtelektronen“ gesondert betrachtet). Der Standardfall ist das Wasserstoffmolekül.

In diesem Modell entsteht eine Valenzbindung zwischen zwei Atomen dadurch, dass jedes dieser Atome ein Elektron für eine Bindung zur Verfügung stellt. Diese beiden Elektronen bilden ein Elektronenpaar in einem bindenden Ortszustand des Moleküls. Die beiden Atomkerne im Molekül haben Anteil an beiden Elektronen, also (bei polaren Bindungen) am „eigenen“ Elektron und am Elektron „des Partners“, während man bei nichtpolaren Bindungen nur über die Symmetrie des Systems Aussagen machen kann, da nach dem Pauli-Prinzip eine symmetrische Zwei-Elektronen-Ortsfunktion immer mit einer antisymmetrischen Zwei-Elektronen-Spinfunktion multipliziert werden muss bzw. umgekehrt eine antisymmetrische Ortsfunktion mit einer symmetrischen Spinfunktion. Wegen der Vertauschungssymmetrie des Systems ist jedenfalls bei Abwesenheit spinabhängiger Potentiale die Ortsfunktion des Zwei-Elektronen-Systems entweder symmetrisch (+ Zeichen beim zweiten Term, sog. bindender Zustand) oder antisymmetrisch (-Zeichen, sog. antibindender Zustand). Die Energiekurve , die bei Variation des Abstandes der beiden Atomkerne entsteht, ist die Triebkraft für die Bildung von Molekülen, wobei man im Fall einer symmetrischen Ortswellenfunktion einen Singulett-Zustand erhält (da dann die Spinwellenfunktion der beiden Elektronen antisymmetrisch sein muss), im Fall einer antisymmetrischen Ortswellenfunktion dagegen einen von drei Triplett-Zuständen (s. u.).

Die Berechnung der molekularen Bindungsenergie ergibt im Detail, dass man im ersten Fall, also für den Singulettzustand des Zwei-Elektronensystems, eine stabile Bindung bekommt („bonding state“), während für den Triplett-Fall, also für eine antisymmetrische Zwei-Elektronen-Ortsfunktion, nicht nur eine viel höhere Energie resultiert; sondern (im Gegensatz zum Singulett-Zustand mit seinem ausgeprägten Minimum der Energiekurve) resultiert jetzt sogar ein monoton-abfallendes Verhalten der Energiekurve, was einem antibindenden Verhalten entspricht.

Ein Vorteil der Valenzbindungstheorie ist, dass sich die Wellenfunktion als Linearkombination von Resonanzstrukturen verstehen lässt, wodurch sie einer direkten chemischen Interpretation zugänglich ist, was bei molekülorbitalbasierten Ansätzen deutlich schwieriger ist. Daher eignen sich VB-Ansätze speziell, um ein Verständnis für Moleküle mit einer ungewöhnlichen elektronischen Struktur zu erhalten.[1]

  1. Philippe C. Hiberty und Sason Shaik: Valence Bond Theory, Its History, Fundamentals, and Applications: A Primer. In: Kenny B. Lipkowitz, Raima Larter und Thomas R. Cundari (Hrsg.): Reviews in Computational Chemistry. John Wiley & Sons, Ltd, 2004, ISBN 0-471-67885-6, S. 1–100, doi:10.1002/0471678856.ch1 (englisch).

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