William-Shakespeare-Urheberschaft

Vorderseite des sogenannten First Folio (1623), tituliert mit “the first collected edition of Shakespeare’s plays”. Die „Folio“-Ausgabe mit ihrem Porträt spielt eine erhebliche Rolle in der Debatte um die Urheberschaft. Der Kupferstich wird gewöhnlich Martin Droeshout dem Jüngeren zugeschrieben. Da dieser 1601 geboren, zum Todesjahr von William Shakespeare 1616, also sieben Jahre vor Veröffentlichung der Folio-Ausgabe, erst vierzehn Jahre alt war und deshalb den Stückeschreiber selbst wahrscheinlich nicht persönlich gekannt hat, haben Autorschaftszweifler auch die Entstehungsumstände des Shakespeare-Werks in Frage gestellt, ebenso wie Ben Jonsons Zusicherung, dass der Kupferstich „true to life“ sei. Stratfordianer antworten, dass seit langem angenommen werde, dass Droeshout von einer Vorlage, einem „Sketch“ ausgegangen sei. Charlton Ogburn, Autor von The Mysterious William Shakespeare (1984) notierte, dass die gebogene Linie, vom Ohr zum Kinn verlaufend, das Gesicht eher wie eine „Maske“ erscheinen lasse denn als die wahre Repräsentation einer tatsächlichen Person,[1] während Kunsthistoriker nichts Ungewöhnliches in diesem Merkmal erkennen wollen.[2]

William-Shakespeare-Urheberschaft behandelt die seit dem 18. Jahrhundert geführte Debatte, ob die William Shakespeare (1564–1616) aus Stratford-upon-Avon zugeschriebenen Werke in Wirklichkeit von einem anderen Autor oder von mehreren Autoren geschrieben wurden.

Die Gruppe der Zweifler an William Shakespeares Urheberschaft, besser als „Nicht-Stratfordianer“ bezeichnet, führen an, dass es an konkreten Beweisen fehle, dass der „shareholder“ und Geschäftsmann aus Stratford, William Shakspere, auch für das literarische Werk verantwortlich zeichnet, das seinen Namen trägt. Es gebe allzu große Lücken in den historischen Aufzeichnungen seines Lebens und es sei kein einziger von ihm je geschriebener Brief erhalten geblieben oder bekannt geworden.

Ein anderer oft erwähnter Grund für den Urheberschaftszweifel ist die für die Urheberschaftszweifler in den Shakespeare-Werken erkennbare mächtige Allgemeinbildung, die der Autor gehabt haben muss, dokumentiert unter anderem durch den gewaltigen Wortschatz von circa 29.000 verschiedenen Wörtern, beinahe sechsmal so viel wie die in der King-James-Bibel, die mit 5.000 verschiedenen Wörtern auskommt. Es gebe keine Beweise für den Besuch wenigstens der Grammar School oder gar einer Universität. Shakespeare wäre demzufolge nur eine Art „Strohmann“ („frontman“) für den wahren Autor gewesen, der anonym bleiben wollte (oder musste).

Annähernd 200 Jahre war Francis Bacon der führende Alternativkandidat.[3] Daneben wurden andere Kandidaten vorgeschlagen, darunter Christopher Marlowe, William Stanley, 6. Earl of Derby und Edward de Vere, 17. Earl of Oxford.[4] Letzterer war im 20. Jahrhundert unter den Nicht-Stratfordianern wohl der populärste Kandidat als potentieller Autor von Shakespeares Werken.[5]

In der Literaturwissenschaft spielt die Urheberschafts-Debatte indes praktisch keine Rolle. Stephen Greenblatt, einer der führenden Shakespeare-Experten, schrieb etwa 2005, dass es in dieser Frage einen „überwältigenden wissenschaftlichen Konsens“ gebe, der auf der „seriösen Bewertung harter Fakten“ basiere.[6]

Obwohl von der Literaturwissenschaft alle Theorien für Alternativkandidaten stets verworfen wurden, war das Interesse an der Urheberschaftsdebatte bis heute unter Nichtphilologen, besonders aber Theater-Professionellen (und auch so unterschiedlichen Berühmtheiten wie Friedrich Nietzsche, Otto von Bismarck, Sigmund Freud und Charlie Chaplin) stetig vorhanden, ein Trend, der sich auch im 21. Jahrhundert fortsetzt.[7]

Ein großer Teil der Wissenschaftler und interessierten Laien hält diese Frage allerdings für bedeutungslos. Ein Beispiel für Letzteres wäre Egon Friedell, der in seiner Kulturgeschichte der Neuzeit schreibt:

„Die geringe oder falsche Schätzung, die Shakespeare zu seinen Lebzeiten erfahren hat, ist manchen so paradox erschienen, daß sie sie auf das Auskunftsmittel verfielen, seine Existenz überhaupt zu leugnen. Das ist allerdings eine sonderbare Art den Widerspruch zu lösen. (…) Vielleicht hieß er nicht Shakespeare: was kümmert uns seine Adresse!“[8]

Robert Neumann überliefert das schöne Forschungsergebnis eines britischen Literaturwissenschaftlers, demzufolge Shakespeares Stücke nicht von Shakespeare stammen, sondern von einem anderen Autor gleichen Namens.

  1. Ch. Ogburn: The Mysterious William Shakespeare. 1984, S. 173.
  2. National Portrait Gallery: Searching for Shakespeare, NPG Publications, 2006.
  3. Edgar M. Glenn: Shakespeare and His Rivals, A Casebook on the Authorship Controversy. New York 1962, S. 63.
  4. Siehe Gibson The Shakespeare Claimants: A Critical Survey of the Four Principle Theories Concerning the Authorship of the Shakespearean Plays, Routledge 2005, S. 48, 72, 124.
  5. McMichael, S. 159.
  6. Stephen Greenblatt: Letter To the Editor. In: The New York Times, 4. September 2005. (an overwhelming scholarly consensus, based on a serious assessment of hard evidence)
  7. [1]
  8. Egon Friedell: Kulturgeschichte der Neuzeit, Band 1, DTV, München 1997, S. 400

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