Anthroposophie

Als Anthroposophie (von altgriechisch ἄνθρωπος ánthrōpos „Mensch“ und σοφία sophίa „Weisheit“) werden eine von Rudolf Steiner (1861–1925) begründete, weltweit vertretene spirituelle und esoterische Weltanschauung sowie der zugehörige Ausbildungs- und Erkenntnisweg bezeichnet. Die Anthroposophie verbindet Elemente des deutschen Idealismus, der Weltanschauung Goethes, der Gnosis,[1] christlicher Mystik, fernöstlicher Lehren sowie der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse zu Steiners Zeit miteinander. Eine Hauptquelle der anthroposophischen Lehre bildet die okkulte „Geheimwissenschaft“,[2] die Rudolf Steiner nach eigenen Aussagen aus Erforschungen einer für ihn bestehenden geistigen Welt, mit Hilfe von „Hellseherorganen“,[3] erlangt habe.

Ein zentraler Aspekt war und ist eine Anwendung des Evolutionsgedankens auf die spirituelle Entwicklung. Dabei verarbeitete Steiner evolutionäre Ansätze sowohl des Darwinisten Ernst Haeckel als auch der modernen Theosophie, wie sie Helena Petrovna Blavatsky vertrat. Die Anthroposophie sucht – im Gegensatz zu Vertretern eines rein säkular naturwissenschaftlich orientierten Fortschrittsgedankens – die Menschheit und ihre Entwicklung spirituell und übersinnlich zu verstehen,[4] setzt sich dabei aber von der Theosophie und ihrer Orientierung an der östlichen Religiosität ab. Die Einbeziehung und Neuinterpretation der Evolution führte ebenso wie bei Haeckel und anderen Zeitgenossen Steiners zu Kontroversen um mögliche sozialdarwinistische und rassistische Aspekte.

Angeregt von Steiners Ideen existiert in vielen Bereichen eine „Anwendungs-Anthroposophie“, zum Beispiel die Anthroposophische Architektur, die Waldorfpädagogik, die biologisch-dynamische Landwirtschaft, die anthroposophische Medizin, anthroposophische Naturkosmetik und Die Christengemeinschaft.

  1. So etwa Richard Geisen, der auf Grundlage eines detaillierten Vergleichs mit der antiken Gnosis von einem „anthroposophischem Gnostizismus“ bzw. von „Steiners gnostischem Gesamtsystem“ spricht. Siehe Richard Geisen: Anthroposophie und Gnostizismus. Darstellung, Vergleich und theologische Kritik. 1992, S. 522. Helmut Zander weist darauf hin, dass Steiner Eugen Heinrich Schmitts: Die Gnosis: Grundlagen der Weltanschauung einer edleren Kultur, 2 Bd., 1903/1907 überaus positiv besprochen hatte und es auch für seine Theoriebildung nutzte. Siehe Helmut Zander: Anthroposophie in Deutschland. Band 1, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007, S. 736, FN 698.
  2. Helmer Ringgren: Anthroposophie. In: Theologische Realenzyklopädie. Band 3, de Gruyter, Berlin 1978, S. 12; Sven Ove Hansson: Is Anthroposophy Science? In: Conceptus. 25 (1991), Heft 64, S. 37 f. (online, Zugriff am 17. Juni 2016); Jan Badewien: Faszination Akasha-Chronik. Eine kritische Einführung in die Geisteswelt der Anthroposophie. Vortragsmanuskript (Memento vom 9. Januar 2007 im Internet Archive) (PDF; 211 kB). Tagung: Anthroposophie – kritische Reflexionen. Veranstaltet vom Kulturwissenschaftlichen Seminar, in Kooperation mit dem Graduiertenkolleg „Geschlecht als Wissenskategorie“, Humboldt-Universität zu Berlin, 21. Juli 2006.
  3. Rudolf Steiner: Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? (online, Zugriff am 19. Juni 2016), das Zitat S. 25.
  4. Johannes Hemleben: Rudolf Steiner und Ernst Haeckel. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1965.

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