Charidschiten

Die Charidschiten (arabisch الخارجية, DMG al-Ḫāriǧīya)[1] oder Chawāridsch (arabisch الخوارج, DMG al-Ḫawāriǧ ‚die [zum Kampf] Ausziehenden‘) waren eine religiös-politische Oppositionsbewegung des frühen Islams, die nach der Ermordung des dritten Kalifen ʿUthmān ibn ʿAffān im Jahre 656 entstand. Sie unterstützten während der ersten Fitna zunächst den vierten Kalifen ʿAlī ibn Abī Tālib, wandten sich aber nach der Schlacht von Siffin von ihm ab, als sie sahen, als er sich bei seiner Auseinandersetzung mit seinem Herausforderer Muʿāwiya ibn Abī Sufyān auf ein Schiedsgericht einlassen wollte. Nach dem arabischen Lexikographen Ibn Manzūr wurden die Charidschiten deswegen so genannt, weil sie sich von den Menschen abwandten (li-ḫurūǧihim ʿan an-nās).[2] Allerdings handelt es sich hierbei um eine Fremdbezeichnung. Die Angehörigen der Bewegung selbst bezeichneten sich meist als Schurāt ‚[Selbst]verkaufende‘, ein Name, der von dem Prinzip des Schirā' abgeleitet ist, das bei ihnen eine tragende Bedeutung hatte. Nach ihrem ersten Lager in Harūrā' nahe Kufa wurden die Charidschiten auch Harūrīya genannt.[2]

Ende des 7. Jahrhunderts spaltete sich das Charidschitentum in zahlreiche Untergruppen auf. Von diesen Untergruppen besteht allein die Ibādīya mit Anhängern in Oman, Nordafrika und an der ostafrikanischen Küste als islamische Sondergemeinschaft bis heute fort. Die Ibaditen der Gegenwart betrachten sich selbst allerdings nicht mehr als Charidschiten, sondern als Gruppe, die in Opposition zu den radikalen Strömungen innerhalb des Charidschitentums entstanden ist.[3] Manche islamischen Autoren verwenden den Begriff „Charidschiten“ nicht nur für eine historische religiös-politische Gruppierung, sondern auch allgemein für rebellisch eingestellte Muslime. So wird nach der Definition asch-Schahrastānīs jeder, „der sich gegen einen rechtmäßigen Imam auflehnt, den die Gemeinde mit Uebereinstimmung anerkannt hat, Charidschit genannt, gleichviel ob die Auflehnung in den Tagen der Sahāba gegen die rechtgeleiteten Imame geschah oder gegen die Imame der nachfolgenden Zeit.“[4]

  1. Vgl. Hans Wehr: Arabisches Wörterbuch für die Schriftsprache der Gegenwart. Arabisch-Deutsch. 5. Aufl. Harrasowitz, Wiesbaden, 1985, S. 329.
  2. a b Ibn Manẓūr: Lisān al-ʿArab. Dār Ṣādir, Beirut 1955–1956. Reprint Qom 1984. Bd. II, S. 251a, Zeile 16. Digitalisat
  3. Vgl. Lutz Berger: Mit den Waffen des Islams gegen Zionisten und Anthropomorphisten. Die politische Relevanz mittelalterlicher Theologie im ibāditischen Islam der Gegenwart. In: Die Welt des Islams 48, 2008, S. 222–239. S. 229f. und Muḥammad Nāṣir Bū Ḥaǧǧām: Tauḍīḥ makānat al-Ibāḍīya min al-ḫawāriǧ. As-Sīb 1993.
  4. aš-Šahrastānī: al-Milal wa-n-niḥal. 1842, Bd. I, S. 85. – Deutsche Übers. Th. Haarbrücker. Bd. I, S. 128.

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