Entartung (Medizingeschichte)

Die Vorstellung von einer Entartung oder Degeneration (lateinisch de- „ent-“; genus „Art, Geschlecht“) des Menschen oder der menschlichen Zivilisation hatte zwischen den 1850er bis zu den 1950er Jahren großen Einfluss auf die Wissenschaft, die Kunst und die Politik. Aus bestimmten morphologischen Merkmalen („Stigmata degenerationis“) sollte das innerste Wesen des Menschen, insbesondere sein Charakter und seine Neigung zu neurotischen und geistigen Erkrankungen, aber angeblich auch seine verbrecherische Veranlagung sichtbar sein.

Der Degenerationsgedanke entspringt einer pessimistischen Weltanschauung.[1] Eng verbunden mit diesen Vorstellungen eines allgemeinen Verfalls sind zu dieser Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts und beginnenden 20. Jahrhunderts einerseits die Vererbungslehre, Eugenik und andererseits Rassentheorien. Im heutigen Bewusstsein wird der Begriff einerseits mit Zwangssterilisationen, die im nationalsozialistischen Deutschland in der „Aktion T4“ ihren Höhepunkt hatten, und einer Kritik der Gesellschaft am Fin de siècle andererseits verbunden.

  1. Erwin H. Ackerknecht: Kurze Geschichte der Psychiatrie. 3. Auflage. Enke, Stuttgart 1985, ISBN 3-432-80043-6; (a) zu Stw. „Pessimismus“: S. 53; (b) zu Stw. „Prägung des Degenerationsgedankens durch die französische Psychiatrie“: S. 41, 53; (c) zu Stw. „Französische Schule“ (Morel, Esquirol): Seiten 48, 60; (d) zu Stw. „Faktoren der Degeneration nach Morel“: S. 55; (e) zu Stw. „Antialkoholismus“: S. 56

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