Freiwirtschaft

Titelseite des Standardwerkes der Freiwirtschaftsbewegung: Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld (1919³)
Silvio Gesell (1862–1930), Begründer der Freiwirtschaftslehre

Die Freiwirtschaft ist ein Wirtschaftsmodell, das von Silvio Gesell, einem deutsch-argentinischen Kaufmann, Landwirt und volkswirtschaftlichen Autodidakten, im Wesentlichen zwischen 1891 und 1916 entwickelt worden ist. Anlass seiner drei ersten Schriften, die sich noch ausschließlich mit einer Geldreform beschäftigten, war eine argentinische Wirtschaftskrise um 1890. Anfang des 20. Jahrhunderts forderte Gesell neben einer Währungsreform auch eine Bodenreform. Im Titel seines 1916 erschienenen Hauptwerks heißt es deshalb: Die Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld.

Unter Freiland wird in der Freiwirtschaft der friedlich in öffentliches Eigentum überführte Boden verstanden. Die Nutzung des Freilandes bleibt jedoch gegen Zahlung einer Pacht in privater oder genossenschaftlicher Regie. Aus der Pacht sollen zunächst die ehemaligen Eigentümer angemessen entschädigt werden. Ist das geschehen, fließt die Pacht – gewissermaßen als abgeschöpfte Bodenrente – der Allgemeinheit zu. Die Umsetzung der Idee des Freilandes ist eine Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung der Idee des Freigeldes.

Mit Freigeld bezeichnet die Natürliche Wirtschaftsordnung ein Zahlungsmittel, das (wie die Ware) einem Wertverfall unterworfen ist und damit unter Umlaufzwang steht. Der Besitzer von Freigeld kann jedoch der Entwertung entgehen, wenn er die Hortung des Zahlungsmittels vermeidet, es also entweder gegen Ware eintauscht, verleiht oder auf einem Bankkonto (längerfristig) festlegt. Man bezeichnet das Freigeld, das nach Auffassung Gesells zu sinkenden Zinsen, eventuell sogar zu Negativzinsen und im Endeffekt zu einem Nullzinsniveau führt, auch als rostende Banknoten, Fließendes Geld oder Schwundgeld. Freiwirtschaftliche Geldexperimente, auf die sich auch die modernen Komplementärwährungen berufen, fanden Ende der 1920er / Anfang der 1930er Jahre in Deutschland, Österreich und in den Vereinigten Staaten statt. Auch gab es eine Reihe von Versuchen, die Gesellschen Freiland-Ideen umzusetzen. Träger dieser Experimente waren vor allem verschiedene genossenschaftlich organisierte Siedlungsprojekte.

Ideengeschichtliche Beziehungen der Natürlichen Wirtschaftsordnung bestehen zur Physiokratie François Quesnays (1694–1774), zur sogenannten „EigennutzethikMax Stirners (1806–1856), zum solidarischen Anarchismus Pierre-Joseph Proudhons (1809–1865) sowie zu den Bodenreformern des 19. und 20. Jahrhunderts. Unter Letzteren ist besonders Michael Flürscheim zu nennen.

Seit Beginn des 21. Jahrhunderts findet die Natürliche Wirtschaftsordnung neue Aufmerksamkeit. Gründe dafür sind unter anderem die Entstehung von Regionalwährungen, die Weltwirtschaftskrise ab 2007, die Eurokrise ab 2010 sowie die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank.


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