Historische Rechtsschule

Die Historische Rechtsschule (auch: geschichtliche Schule der Rechtswissenschaft) ist eine wissenschaftsgeschichtliche Lehrströmung der Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts. Begründet wurde sie 1814/15 von Friedrich Carl von Savigny, der dazu eine schulbildende Programmschrift verfasst hatte und den Berliner Hochschulverkehr maßgeblich seinem Einfluss aussetze, sodass er als ihr herausragender Vertreter gilt, und Karl Friedrich Eichhorn. Vorherrschend umgab sie der Zeitgeist von Frühromantik, Klassizismus und Historismus.

Die Historische Rechtsschule ging davon aus, dass alle Volksüberzeugungen („Volksgeist“) einen einheitlichen Bestand bilden und vergleichbar einer Sprache wachsen, frei, veränderbar, aber strukturiert. In diesem historischen Zusammenhang stehe auch das Recht. Strömungen die hingegen unhistorisch waren, so etwa das philosophisch inspirierte Naturrecht oder die nationalpolitisch motivierten Forderungen nach gewillkürter Gesetzgebung, wurden abgelehnt. Privatrecht sollte im Rahmen des rechtswissenschaftlichen Betriebs an Hochschulen zur Ausbildung versierter Richter entwickelt werden, denn Recht bestand in diesem Sinne aus rechtsgeschichtlichen und dogmatischen Arbeiten gleichermaßen. Als Erkenntnisquellen galten klassisch-römisches Recht, germanisches Recht und alle Veränderungen der beiden Rechtsmassen seit den ersten wissenschaftlichen Aufbereitungen im Hochmittelalter. Dabei war die Rechtsschule nicht einheitlich ausgerichtet, denn widerstreitende philosophische Programme gingen in ihr ebenso auf, wie die unterschiedliche Methodenlehren und unterschiedliche zugrundeliegende politische Grundausrichtungen.

Die Einsicht der Geschichtlichkeit von Recht wirkte sich auf die Arbeiten mit den rezipierten Rechtsquellen aus. Da Savigny die Ansicht vertrat, dass die überlieferten Rechtstexte ab dem Mittelalter bis zur Unkenntlichkeit verderbt worden waren, wollte er sie von all diesen Eingriffen befreien, um sie einer verständnisvolleren wissenschaftlichen Behandlung und zeitgemäßen Rechtsprechung zuzuführen. Rechtssystematisch folgte die Schule dem Pandektenrecht, wissenschaftliche Ausgangsgrundlage des bis heute geltenden deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

Wegbereiter und kritische Begleiter der historischen Rechtsschule waren unter den dominierenden Romanisten um Savigny vor allem die Methodiker Gustav von Hugo und Georg Friedrich Puchta sowie die theologisch inspirierten Friedrich Julius Stahl und Moritz August von Bethmann-Hollweg. Um den Begründer des germanistischen Zweigs Karl Friedrich Eichhorn scharten sich vornehmlich Jacob Grimm und Georg Beseler. Der Streit um das römische Recht zwischen den beiden Flügeln war nationalpolitischer Art. Widerstand gegen die Schule regte sich aus den Lagern der Hegelianer und der Praktiker.

Mit dem Verstummen der Historischen Rechtsschule verbunden war die Historisierung der Rechtsgeschichte als Geschichtswissenschaft. Deren Existenzberechtigung unter dem Dach der juristischen Fakultäten wird zunehmend hinterfragt. Heute wird die eigentliche Bedeutung der Rechtsschule in der Verbreitung und Kritik der traditionellen Rechtsquellen, der Einflussnahme auf juristische Grundbegriffe, der Schaffung einer Lehrbuchtradition und in der breit angelegten Wirkung auf die Rechtsprechung und damit auf die sich im Wandel befindliche Lebenswirklichkeit gesehen. Einfluss hatte die Historische Rechtsschule auch auf die Schweiz, Österreich, Frankreich, Italien, Skandinavien, Russland, England und die Vereinigten Staaten.


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