Selbstverletzendes Verhalten

Klassifikation nach ICD-10
X60-X84 Vorsätzliche Selbstbeschädigung
L98.1 Dermatitis factitia
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Selbstverletzendes Verhalten (SVV) wird definiert als freiwillige, direkte Zerstörung oder Veränderung des Körpergewebes ohne suizidale Absicht. Dieses Verhalten ist sozial nicht akzeptiert, direkt und repetitiv; es führt meist zu kleinen oder moderaten Schädigungen. Der medizinischen Definition zufolge liegt selbstverletzendes Verhalten dann vor, wenn sich die Betroffenen innerhalb eines Jahres an fünf oder mehr Tagen bewusst oder unbewusst selbst eine Schädigung von Körpergewebe zugefügt haben.[1][2] Andere Bezeichnungen sind autoaggressives Verhalten oder Artefakthandlung. Selbstverletzendes Verhalten ist gegen Selbstverstümmelung (einschließlich fremdmotivierter Taten, wie dem Abtrennen von Fingergliedern bei der Yakuza) abzugrenzen.

Handlungen in Selbsttötungsabsicht, stereotypes Verhalten bei einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung oder Psychose, sog. body modification durch Piercings oder Tätowierungen sowie Selbstschädigungen zum Zwecke einer medizinischen Untersuchung im Rahmen des Münchhausen-Syndroms werden vom selbstverletzenden Verhalten abgegrenzt.[3]

Obgleich SVV definitorisch keinen suizidalen Aspekt hat[4] (gilt nicht zwangsläufig für ICD-10-Klassifizierungen von vorsätzlicher Selbstbeschädigung), sondern meist der Regulation von (negativen) Gefühlen dient, kann SVV bei bis zu einem Drittel der Betroffenen mit Suizidalität einhergehen.[5] In solchen Fällen kann davon ausgegangen werden, dass die Selbstverletzungen auch der Regulation der Suizidgedanken dienen. Etwa 10 % der Betroffenen begehen früher oder später tatsächlich Suizid.[6]

Eine mögliche psychologische Erklärung für solche Verhaltensweisen besagt, dass eine Störung des Körperschemas vorliegt, bei der der eigene Körper nicht als dem Selbst zugehörig erlebt wird.[7] SVV kann auch der Selbstbestrafung dienen. Dieses Verhalten geht über andere Formen der Selbstschädigung hinaus, wie der Verkürzung der eigenen Lebenserwartung durch intensives Rauchen.

  1. Selbstverletzendes Verhalten MedLexi, aufgerufen am 31. August 2022
  2. Leitlinie Nicht-Suizidales Selbstverletzendes Verhalten (NSSV) im Kindes- und Jugendalter S2k-Leitlinie 028/029, Stand: 02/2015, S. 4
  3. Leitlinie Nicht-Suizidales Selbstverletzendes Verhalten (NSSV) im Kindes- und Jugendalter S2k-Leitlinie 028/029, Stand: 02/2015, S. 10
  4. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen Psychiater im Netz Start.
  5. Selbstverletzendes Verhalten (Volker Faust). In: psychosoziale-gesundheit.net. Abgerufen am 28. Juni 2016.
  6. Phänomenologie des Suizides. (PDF) Dissertationen Online, FU Berlin, abgerufen am 28. Juli 2016.
  7. Holger Salge: Analytische Psychotherapie zwischen 18 und 25. Besonderheiten in der Behandlung von Spätadoleszenten (= Psychotherapie: Praxis). 2., vollständig überarbeitete Auflage. Springer, Berlin / Heidelberg 2017, ISBN 978-3-662-53570-7, S. 115, doi:10.1007/978-3-662-53571-4.

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