Substitutionstheologie

Figur der Synagoge am Straßburger Münster, 13. Jahrhundert. Verbundene Augen, gebrochener Stab und entgleitende Gebotstafel symbolisieren Blindheit des Unglaubens und Bundesverlust.

Als Substitutionstheologie (von lateinisch substituere, „ersetzen“; auch: Ablösungs-, Ersatz-, Ersetzungs-, Enterbungs- oder Enteignungstheologie) bezeichnet man eine überlieferte Lehre der christlichen Theologie: Gott habe das Volk Israel seit der Kreuzigung Jesu Christi verworfen und verflucht, seine Erwählung Israels, seinen Bund mit diesem Volk und die ihm geschenkten Verheißungen aufgehoben und sie stattdessen auf die Kirche als neues Volk Gottes übertragen. Ausgangspunkt und Hauptaussage dieser Lehre ist laut der Historikerin Gabriele Kammerer: „Das Volk, aus dem Jesus kam, hat ihn nicht als Messias angenommen, also gehen seine Rechte als Volk Gottes an die Kirche über.“[1] Diese Lehre zog sich seit etwa 130 n. Chr. in verschiedenen Varianten durch die Kirchengeschichte. Zusammen mit der These vom Gottesmord bildet sie den Kern des christlichen Antijudaismus und die historische Wurzel des neuzeitlichen Antisemitismus, der zum Holocaust führte.

Angesichts der Judenverfolgung in der Zeit des Nationalsozialismus rückten einige christliche Theologen von dieser Lehre ab und entdeckten die in der ganzen Bibel bewahrte Grundaussage vom „ewigen“, „unkündbaren“ und „nie gekündigten“ Bund Gottes mit Israel und dem Judentum (etwa in Jer 31,36  und Röm 11,29 ) neu. Erst infolge des ab 1960 intensivierten jüdisch-christlichen Dialogs setzte sich diese Neuentdeckung in den Großkirchen durch. Als Meilensteine dieser Umkehr gelten die römisch-katholische Erklärung Nostra aetate (1965) und der evangelische Rheinische Synodalbeschluss „Zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden“ (1980). Ihm folgten viele analoge Erklärungen in der EKD.

  1. Gabriele Kammerer: Kinder Gottes im Land der Täter. Der christlich-jüdische Dialog in der Bundesrepublik Deutschland. In: Micha Brumlik und andere: Reisen durch das jüdische Deutschland. DuMont, Köln 2006, ISBN 3-8321-7932-1, S. 432

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