Arbeitswerttheorie

Die Arbeitswerttheorie (Kurzform AWT, auch Arbeitswertlehre) ist eine Denkrichtung aus der klassischen Nationalökonomie. Danach wird der ökonomische Wert einer Ware durch die Arbeitszeit bestimmt, die zu deren Produktion gesellschaftlich notwendig ist. Außerdem muss die Ware einen Gebrauchswert aufweisen. Ausgehend von diesen Voraussetzungen werden in einer arbeitsteiligen Warenwirtschaft sowohl die Austauschverhältnisse (Tauschwert) bestimmt als auch das Wirtschaftswachstum und die Verteilung des Einkommens, und zwar je nach dessen Entstehungsart auf die unterschiedlichen Klassen von Einkommensbeziehern.[1]

Die Arbeitswertlehre steht im Gegensatz zur später aufkommenden Grenznutzentheorie. Sie wird von Ökonomen unterschiedlich bewertet. Auf der einen Seite wird sie für „falsch“[2] oder „tot“[3] erklärt. Dahingegen verteidigen fast alle Marxisten die Arbeitswertlehre in der marxschen Form, obschon ihre begriffliche Präzisierung äußerst umstritten ist. Einige Nicht-Marxisten leiten die Arbeitswertlehre in Wachstumsmodellen unter bestimmten Annahmen her, ohne dies als Bestätigung Marxscher Theorie anzusehen.[4] 1927 hatte der spätere Träger des Preises der Schwedischen Reichsbank in Wirtschaftswissenschaft zur Erinnerung an Alfred Nobel Gunnar Myrdal mit seiner Kritik der Arbeitswertlehre promoviert.[5] Eberhard Feess-Dörr suchte 1988 in seiner Dissertation Ricardo gegenüber Marx wieder ins rechte Licht zu rücken sowie die Redundanz der Arbeitswertlehre gegenüber dem neo-ricardianischen Ansatz nachzuweisen. Nils Fröhlich hat 2009 wieder die Aktualität der recht verstandenen AWT zu beweisen unternommen.[6][7] Tatsächlich wird die AWT von Adam Smith ziemlich inkonsistent verwendet. Ob bzw. wie David Ricardo die AWT einsetzt, ist umstritten. Wie auch all die damit verbundenen Kontroversen ausgehen mögen, so wird die AWT nach wie vor ein wichtiger Bezugspunkt im Theorievergleich[8] innerhalb der Politischen Ökonomie sowie den angrenzenden Wissenschaftsdisziplinen bleiben.

  1. David Ricardo: Grundsätze der politischen Ökonomie und der Besteuerung. Berlin 1959, S. 3; zit. nach: Jindřich Zelený: Die Wissenschaftslogik bei Marx und ‘Das Kapital.’ Übersetzung aus dem Tschechischen von Peter Bollhagen. Europäische Verlagsanstalt Frankfurt. Europa Verlag Wien. 1969, S. 23. Michalis Skourtos: Der ‘Neoricardianismus’. V. K. Dmitriev und die Kontinuität in der klassischen Tradition. Pfaffenweiler 1985; Krishna Bharadwaj: Themes in Value and Distribution. Classical Theory Reappraised. London 1989, S. 1.
  2. insbesondere der Grenznutzentheoretiker Eugen von Böhm-Bawerk: Geschichte und Kritik der Kapitalzinstheorien. 1884.
  3. Joseph A. Schumpeter: Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie. 6. Auflage. A. Franke, Tübingen 1987, ISBN 3-7720-1298-1, S. 49 (UTB 172; zuerst: 1942)
  4. Carl Christian von Weizsäcker: A New Technical Progress Function. German Economic Review, 11/3, 2010 (Erstveröffentlichung eines 1962 geschriebenen Artikels); Carl Christian von Weizsäcker, Paul A. Samuelson: A new labor theory of value for rational planning through use of the bourgeois profit rate. In: Proceedings of the National Acadademy of Sciences U S A. 1971, PMC 389151 (freier Volltext).
  5. vgl. hierzu sein später veröffentlichtes Werk: Gunnar Myrdal: Das politische Element in der nationalökonomischen Doktrinbildung. Berlin 1932.
  6. Nils Fröhlich: Die Aktualität der Arbeitswerttheorie. Theoretische und empirische Aspekte. Diss. Chemnitz 2009, ISBN 978-3-89518-756-8.
  7. Nils Fröhlich: Die Überprüfung klassischer Preistheorien mithilfe von Input-Output-Tabellen. In: Wirtschaft und Statistik. 5/2010, S. 503–508.
  8. Takashi Negishi: Economic theories in a non-Walrasian tradition. Cambridge / New York / New Rochelle / Melbourne / Sydney 1985, S. 1.

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