Fusionsenergie

Blick auf das Plasma der Versuchsanlage MAST

Fusionsenergie bezeichnet mittels großtechnischer Nutzung der thermonuklearen Kernfusion erzeugten Strom. Die Aussicht auf eine praktisch unerschöpfliche[1] Energiequelle ohne das Risiko katastrophaler Störfälle[2] und ohne die Notwendigkeit der Endlagerung langlebiger radioaktiver Abfälle[3] treibt seit den 1960er Jahren[4] internationale Forschungsaktivitäten voran.

Das zurzeit aufwendigste Projekt ist der internationale Forschungsreaktor ITER, ein Tokamak, der seit 2007 in Südfrankreich im Bau ist. Die Inbetriebnahme dieser Anlage verzögerte sich bereits mehrfach mit einhergehenden Kostensteigerungen.[5] Der Betriebs-Start mit Deuterium-Plasma ist 2034 geplant, der Versuchsbetrieb mit einem Deuterium-Tritium-Plasma soll im Jahr 2039 beginnen.[6] Der letztliche Leistungsbetrieb mit zehnmal mehr freigesetzter Fusionsenergie als eingesetzter Heizenergie soll nach älteren Planungen fünf Jahre danach erreicht werden (S. 16 in[7]).

In dieser Phase sollen auf Basis eines vergrößerten Tokamaks wesentliche Design-Entscheidungen für Kraftwerk DEMO fallen. Die Konstruktion dieses Fusionskraftwerks mit mehreren 100 MW Leistung soll mit enger Beteiligung der Industrie erfolgen. Zwanzig Jahre nachdem ITER ein brennendes Versuchs-Plasma hoher Leistung erreicht hat, soll DEMO die großtechnische Stromgestehung durch Kernfusion möglich machen und eine ausreichende Menge des notwendigen Tritiums im Kraftwerk selbst erbrüten.

Parallel zu den internationalen Großprojekten ITER und DEMO gibt es seit ca. 2010 ein erhöhtes Interesse an Kernfusion von Seiten privat finanzierter Start-up-Unternehmen.[8] Sie verfolgen oft alternative Konzepte zur Fusion und versprechen eine Energieproduktion lange vor ITER (z. B. TAE Technologies[9] oder Commonwealth Fusion Systems[10]). Eine Übersicht über die weltweiten Experimente zur Fusionsenergie gibt das Fusion Device Information System[11] der IAEA.

Einen merklichen Beitrag zur Energieversorgung, 1 TW, soll Kernfusion erst im Laufe des 22. Jahrhunderts leisten (S. 13 in [7]). Deshalb kann Fusionsenergie keine Rolle bei der weltweiten Energiewende spielen.[12][13][14]

Parallel zu der bei ITER angewendeten Technik der Fusion mittels magnetischen Einschlusses wird an der technischen Umsetzung der Trägheitsfusion gearbeitet. Dabei erfolgt nach einer schlagartigen Zufuhr von Energie ein kurzzeitiges Fusionsbrennen, das durch das Auseinanderfliegen des erhitzten Materials wieder beendet wird.

  1. „deuterium can be easily extracted at a very low cost“, „enough […] for 2 billion years“ (S. 16), „20.000 years of inexpensive Li6 available“ (S. 17) In: Jeffrey P. Freidberg: Plasma Physics And Fusion Energy. 2007.
  2. Jeffrey P. Freidberg: Plasma Physics and Fusion Energy. 1. Auflage. Cambridge University Press, 2007, ISBN 978-0-521-85107-7, S. 17 ff., doi:10.1017/cbo9780511755705 (englisch, cambridge.org [abgerufen am 12. Juli 2023]).
  3. Weston M. Stacey: Fusion. An Introduction to the Physics and Technology of Magnetic Confinement Fusion. 2010, S. 151–154; radioactive structural material […] storage time required […] 100 years.
  4. Nuclear fusion - Research, Energy, History | Britannica. Abgerufen am 12. Juli 2023 (englisch).
  5. Michael Banks: ITER fusion reactor hit by massive decade-long delay and €5bn price hike. 3. Juli 2024, abgerufen am 3. Juli 2024 (britisches Englisch).
  6. Robert Gast: Kernfusionsreaktor Iter: Megaprojekt mit Megaverspätung. In: Die Zeit. 3. Juli 2024, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 3. Juli 2024]).
  7. a b EUROfusion: European Research Roadmap to the Realisation of Fusion Energy (Memento vom 21. Januar 2022 im Internet Archive). Version 0.1, 2018.
  8. Plasmaphysik: Neue Wege zur Fusionsenergie. Abgerufen am 12. Juli 2023.
  9. Home. TAE Technologies, 2023, abgerufen am 12. Juli 2023 (amerikanisches Englisch).
  10. Home. Commonwealth Fusion Systems, 2023, abgerufen am 12. Juli 2023 (englisch).
  11. IAEA: FusDIS
  12. Saskia Heinze: Atomkraft, aber anders: Löst die Kernfusion unser Energieproblem? In: rnd.de. 5. November 2021, abgerufen am 11. August 2022.
  13. Anatol Hug: Einstein Online - Kernfusion: Das müssen Sie wissen. 23. März 2015, abgerufen am 12. Juli 2023.
  14. WBGU (Hrsg.): Energiewende zur Nachhaltigkeit. Springer, Berlin Heidelberg 2003, ISBN 978-3-540-40160-5, S. 53 (wbgu.de [abgerufen am 12. Juli 2023]).

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