Gliederungsverschiebung

Gliederungsverschiebung bezeichnet in der Linguistik das Phänomen, die Gliederung einer sprachlichen Einheit aufgrund der Oberflächenstruktur neuzuinterpretieren („zu verschieben“).

Zum Beispiel ist das Wort „Tollpatsch“ (früher „Tolpatsch“ geschrieben) ursprünglich dem Ungarischen entlehnt worden. Mit der Zeit ist es als Kompositum aus „Toll“ und „Patsch“ (im Sinne von „patschen“) umgedeutet worden, was sich heute in der Rechtschreibung widerspiegelt.[1] Dementsprechend ist eine Gliederungsverschiebung eine Form von Reanalyse[2] und kann die Quelle einer volksetymologischen Herleitung oder Teil eines Sprachwandels sein.

In der Sprachwissenschaft unterscheidet man zwischen der Gliederungsverschiebung innerhalb eines Wortes (Morphologie) und innerhalb eines Satzes (Syntax). Ursprünglich ist dieser Terminus von Hermann Paul eingeführt worden, um die Entstehung der Konjunktion „dass“ zu erklären. Seiner Meinung nach sei aus „Ich sehe das. Er ist zufrieden“ der Satz „Ich sehe, dass er zufrieden ist“ entstanden.[3]

  1. Tollpatsch. In: Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache. Abgerufen am 21. Januar 2024
  2. In manchen Werken werden die Begriffe auch synonym aufgefasst, vgl. Christian Lehmann: Synsemantika. in: Joachim Jacobs, Arnim von Stechow, Wolfgang Sternefeld und Theo Vennemann (Hrsg.): Syntax. 2. Halbband: An International Handbook of Contemporary Research, Berlin, New York: De Gruyter Mouton, 1995, S. 1261.
  3. Hermann Paul: Prinzipien der Sprachgeschichte. Studienausgabe der 8. Auflage 1970, S. 299

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