Neostalinismus

Neostalinismus ist eine Bezeichnung für totalitäre realsozialistische Staatsformen, die nach dem Tode Josef Stalins dessen Politik (Stalinismus), meist in einer modifizierten, weniger extremen Form, fortgeführt beziehungsweise wieder aufgegriffen haben.[1][2] Hierbei ist die Verwendung des Begriffes nicht ganz einheitlich. Gelegentlich wird er für fast alle totalitären sozialistischen Regierungen nach dem Tode Stalins[3] verwendet, meist aber wird die Zeit der Regierung Nikita Chruschtschow aufgrund ihrer 1956 begonnenen Entstalinisierung und der mit ihr verbundenen Tauwetter-Periode davon ausgeschlossen. In diesem Fall bezeichnet Neostalinismus dann insbesondere das von Leonid Breschnew geprägte politische System (Breschnewismus) der Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten in der Zeit von 1964 bis 1985.[4][5] Im offiziellen Sprachgebrauch der betroffenen sozialistischen Regierungen wurde diese Zeit des Neostalinismus als „Normalisierung“ bezeichnet.[6]

  1. Peter Davies, Derek Lynch: The Routledge Companion to Fascism and the Far Right. Routledge, London u. a. 2002, ISBN 0-415-21494-7, S. 345.
  2. Der russische Historiker Roi Alexandrowitsch Medwedew beschrieb den Neostalinismus in der Sowjetunion wie folgt: Es ist nicht so sehr eine wirklich positive Sicht auf Stalin, die für die Neostalinisten charakteristisch ist, sondern der Wunsch in Partei und Regierung wieder eine starke und strenge Führung zu besitzen. Sie wollen die Rückkehr des administrativen Terrors der Stalinregierung, jedoch unter Vermeidung seiner schlimmsten Exzesse. Die Neostalinisten kämpfen nicht für einen Ausbau der sozialistischen Demokratie, sondern für ihre Verringerung. Sie stehen für eine striktere Zensur und die Säuberung der Sozialwissenschaften, Literatur und Kunst und die Stärkung des bürokratischen Zentralismus in allen Bereichen des öffentlichen Lebens. Übersetzt und zitiert nach: Ferdinand Joseph Maria Feldbrugge: Samizdat and Political Dissent in the Soviet Union. Sijthoff, Leyden 1975, ISBN 90-286-0175-9, S. 30 f.
  3. Hannah Arendt konstatiert in ihrem Buch Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft nach Stalins Tod einen Abbau totaler Herrschaft und vertritt die These, die Sowjetunion könne seitdem im strengen Sinn nicht mehr totalitär genannt werden. Hannah Arendt, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft. Piper, München/ Zürich, 5. Auflage 1996, ISBN 3-492-21032-5, S. 632, 650.
  4. Alexander Dubček: „Der Beginn der Regierung Breschnew läutete den Anfang des Neostalinismus ein, und die Maßnahmen gegen die Tschechoslowakei von 1968 waren der letzte Konsolidierungschritt der neostalinistischen Kräfte in der Sowjetunion, Polen, Ungarn und anderen Ländern.“ In: Jaromír Navrátil (Hrsg.): The Prague Spring 1968. A National Security Archive documents reader. Central European University Press, Budapest 1998, ISBN 963-9116-15-7, S. 300–307, (Online-Kopie des Interviews mit Dubček (engl. Übersetzung) (Memento des Originals vom 14. März 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/library.thinkquest.org).
  5. Robert Vincent Daniels: „Zwischen 1985 und 1989 suchte Gorbatschow nach einer Abschaffung des Neostalinismus …“ und „… die Bewegung von intellektuellen Dissidenten, deren unabhängiger Geister sich während der Tauwetter-Periode in großem Umfang entfalteten und die sich auch im nachfolgenden Neostalinismus nicht mehr vollständig unterdrücken ließen.“ In: Robert V. Daniels: The End of the Communist Revolution. 1993, S. 34 und 72.
  6. Jozef Žatkuliak: Slovakia in the Period of „Normalization“ and Expectation of Changes (1969–1989) (PDF; 356 kB). In: Sociológia. Slovak Sociological Review. Vol. 30, No. 3, 1998, S. 251–268.

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