Archaeenviren

Die Einteilung der Viren in Sys­te­matiken ist kontinuier­licher Gegen­stand der For­schung. So existieren neben- und nach­einander ver­schie­dene Virus­klas­sifi­kationen sowie die offi­zielle Virus-Taxo­nomie des Inter­national Com­mit­tee on Taxo­nomy of Viruses (ICTV). Die hier be­han­delte Grup­pe ist als Taxon durch neue For­schungen ob­solet ge­wor­den oder aus an­deren Grün­den nicht Teil der offi­ziel­len Virus-Taxo­nomie.

Morphologien von Archaeenviren. Die Lipidmembran (gelb) befindet entweder innerhalb oder außerhalb des violett dargestellten Proteinkapsids (nicht maßstabsgetreu).
Eine Zelle der Archaeen-Gattung Sulfolobus, infiziert mit STSV-1. Zwei spindelförmige Virionen sind in der Nähe der Zelloberfläche sichtbar.
Zelle von Acidianus convivator (Sulfolobaceae) mit ausknospenden Virionen von Acidianus two-tailed virus (ATV, Bicaudaviridae).

Archaeenviren (auch Archaeen-Viren[1]) sind Viren, die Archaeen infizieren und sich in ihnen vermehren. Die Archaeen bilden neben den Bakterien eine Domäne einzelliger, prokaryotischer Organismen. Archaeenviren sind wie ihre Wirte weltweit (kosmopolitisch) anzutreffen, insbesondere auch in extremen Umgebungen, die für die meisten Lebewesen zu unwirtlich sind, z. B. in sauren heißen Quellen, stark salzhaltigen Gewässern und auf dem Meeresgrund. Sie wurden aber auch in tierischen und im menschlichen Körper gefunden. Das erste bekannte Archaeenvirus wurde 1974 beschrieben (noch bevor man die Archaeen von den Bakterien unterschied). Seither wurde eine große Vielfalt von Archaeenviren entdeckt, von denen viele spezifische Merkmale aufweisen, die bei anderen Viren nicht zu finden sind. Über ihre biologischen Prozesse, etwa wie sie sich replizieren, ist meist wenig bekannt. Man geht davon aus, dass Archaeenviren etliche unabhängige Ursprünge haben, von denen einige vermutlich zeitlich vor dem letzten gemeinsamen Vorfahren der Archaeen (englisch Last Archaeal Common Ancestor, LACA) liegen.[2]

Ein Großteil der bei Archaeenviren zu beobachtenden Vielfalt ist in ihrer Morphologie begründet. Ihre Viruspartikel (Virionen) haben viele verschiedene Formen, darunter Spindel-, Zitronen-, Stäbchen-, Flaschen-, Tröpfchen- und Spiralform. Einige enthalten eine Virushülle, d. h eine Lipidmembran, die das Virus-Kapsid umgibt, in dem sich das Virus-Genom befindet – in einigen Fällen umgibt die Hülle das Genom jedoch innerhalb des Kapsids. Alle bekannten Archaeenviren haben ein Genom aus Desoxyribonukleinsäure (DNA), einige können jedoch auch Genomsegmente aus Ribonukleinsäure (RNA) enthalten. Fast alle bisher identifizierten Archaeenviren haben dabei eine Doppelstrang-DNA (dsDNA), nur eine kleine Minderheit hat Einzelstrang-DNA (ssDNA). Ein großer Teil der von Archaeenviren kodierten Gene hat keine anderweitig bekannte Funktion oder Homologie zu anderen Genen.[3]

Im Vergleich zu bakteriellen und eukaryotischen Viren sind bisher nur sehr wenige Archaeenviren detailliert beschrieben worden (Stand 2021). Trotzdem sind die untersuchten Viren sehr vielfältig und gehören zu mehr als 20 Familien, von denen viele keine Verwandtschaft mit anderen bekannten Viren aufweisen. Im Allgemeinen können alle Archaeenviren in zwei große Gruppen eingeteilt werden: solche, die mit bakteriellen und eukaryotischen Viren verwandt sind, und solche, bei denen dies nicht der Fall ist. Zur ersten Gruppe gehören Viren der Realms Duplodnaviria und Varidnaviria, die vermutlich einen älteren Ursprung haben als der LACA, zur zweiten Gruppe gehören Viren des Realms Adnaviria, sowie alle Familien von Archaeenviren, die bisher noch keinen höheren Taxa zugeordnet werden können und von denen man annimmt, dass sie in jüngerer Zeit aus nichtviralen mobilen genetischen Elementen wie Plasmiden entstanden sind.[4]

Weitgehend unbekannt ist noch, wie Archaeenviren mit ihren Wirten und der Umwelt interagieren. Viele etablieren eine persistente Infektion, bei der kontinuierlich Nachkommen mit einer geringen Rate produziert werden, ohne das Wirtsarchaeon zu töten. Einige haben sich offenbar zusammen mit ihren Wirten entwickelt (Koevolution) und sich an die Umgebung angepasst, in der die Archaeen. Den Bicaudaviridae wachsen beispielsweise, nachdem sie ihre Wirtszelle verlassen haben, zwei „Schwänze“ an den entgegengesetzten Enden der Virionen, was ihnen helfen kann, in dünn besiedelten Umgebungen einen neuen Wirt zu finden. In den Ozeanen spielen Archaeenviren vermutlich eine wichtige Rolle beim Nährstoffrecycling, sie stellen vor allem am Meeresboden eine wichtige Todesursache für Archaeen dar. Bei einigen Archaeenviren in hypersalinen Umgebungen kann der Salzgehalt die Infektiosität und das Verhalten des Virus beeinflussen.

Zu den Forschungsbereichen in der Archaeen-Virologie gehören ein besseres Verständnis ihrer Vielfalt und die Erforschung ihrer Replikationsmethoden. Einige Umgebungen, wie z. B. saure heiße Quellen, werden fast ausschließlich von („acidothermophilen“) Archaeen bevölkert. Diese Umgebungen sind daher sehr geeignet, um zu untersuchen, wie Archaeenviren mit ihren Wirten interagieren. Da ein großer Teil ihrer Gene keine von anderen Organismen oder Viren bekannte Funktion hat, gibt es eine große Reserve an genetischem Material, das zu erforschen ist.

In den ersten Jahrzehnten der Erforschung von Archaeenviren entdeckten Wolfram Zillig und seine Kollegen zahlreiche Familien von Archaeenviren. Seit dem Jahr 2000 wurden mit kultivierungsunabhängigen Methoden wie der Metagenomik viele neue Archaeenviren identifiziert. Methoden wie die Kryoelektronenmikroskopie (Cryo-EM) und die Gensyntenie haben dazu beigetragen, ihre evolutionäre Entwicklung besser zu verstehen.

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