Archaischer Homo sapiens

Als archaischer Homo sapiens (auch: früher anatomisch moderner Mensch) werden Fossilien der Gattung Homo bezeichnet, die ihrer Datierung und ihrem Erscheinungsbild nach als frühe, ursprüngliche („altertümliche“) Exemplare der Art Homo sapiens gedeutet werden. Die bisher ältesten Funde stammen vom Djebel Irhoud (Marokko) und wurden auf ein Alter von rund 300.000 Jahren datiert. Anhand von Langknochen wurde die Körpergröße der frühen anatomisch modernen Menschen auf ungefähr 177 cm geschätzt.[1]

Ausbreitung des anatomisch modernen Menschen[2] von Ostafrika ausgehend (rot, es ist nur die frühere Route eingetragen; circa 125.000 vor unserer Zeitrechnung). Die vorausgehenden Besiedelungen durch den Homo erectus (gelb) und den Neandertaler (ocker) – der Denisova-Mensch fehlt aufgrund der noch unsicheren Datenlage – sind farblich abgegrenzt; die Zahlen stehen für Jahre vor heute.

Obwohl aus Fossilien[3] und Erbgut-Analysen (Molekulare Uhr) abgeleitet werden kann, wie lange der anatomisch moderne Mensch bereits existiert (Erbgutanalysen belegen die Existenz mindestens zwischen 200.000 und 100.000 Jahren vor heute[4]), ist die Zeitspanne nicht klar definiert, die als Epoche dieses „archaischen“ Homo sapiens bezeichnet wird. Daher beschreiben einzelne Forscher bestimmte Funde – trotz anderslautendem Artnamen für diese Fossilien – als „archaische Formen“ des Homo sapiens (eine Vorgehensweise, die bei rezenten Arten zu Morphospezies führen würde), während andere Forscher die gleichen Funde im Sinne einer Chronospezies bewerten, also die älteren Fundstücke einer Vorläuferart der jüngeren zuordnen.[5]

1903 hatte zudem Ludwig Wilser erneut die Bezeichnung Homo primigenius („ursprünglicher Mensch“) für einen hypothetischen Urmenschen in die Paläoanthropologie eingeführt, die 1868 bereits Ernst Haeckel vorgeschlagen hatte.[6] Diese Bezeichnung wurde in den folgenden Jahren – im Zusammenhang mit Fossilfunden, die heute dem Neandertaler zugeordnet werden – wiederholt zur zeitlichen Einordnung der Fossilien benutzt.[7]

  1. José-Miguel Carretero u. a.: Stature estimation from complete long bones in the Middle Pleistocene humans from the Sima de los Huesos, Sierra de Atapuerca (Spain). In: Journal of Human Evolution. Band 62, Nr. 2, 2012, S. 242–255, doi:10.1016/j.jhevol.2011.11.004
  2. 1. Früher archaischer Homo sapiens (ca. 500.000–200.000 Jahre': Kabwe (= Homo rhodesiensis)), Saldanha 1 (Südafrika), Ndutu 1, Eyasi 1 (Tansania), Bodo (Äthiopien), Salé (Marokko) und – aufgrund neuerer Datierungen – Florisbad 1 (Südafrika = „Homo helmei“) 2. Später archaischer Homo sapiens (ca. 200.000–100.000 Jahre): Eliye Springs (West Turkana, Kenia), Laetoli (Tansania), Djebel Irhoud (Marokko).
  3. Ian McDougall et al.: Stratigraphic placement and age of modern humans from Kibish, Ethiopia. In: Nature. Band 433, 2005, S. 733–736, doi:10.1038/nature03258.
  4. Max Ingman u. a.: Mitochondrial genome variation and the origin of modern humans. In: Nature. Band 408, 2000, S. 708–713, doi:10.1038/35047064.
  5. Jeffrey H. Schwartz, Ian Tattersall: Fossil evidence for the origin of Homo sapiens. In: American Journal of Physical Anthropology. Band 143, Nr. S51, 2010, S. 94–121 doi:10.1002/ajpa.21443, Volltext (PDF).
  6. Ernst Haeckel: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Gemeinverständliche wissenschaftliche Vorträge über die Entwickelungslehre im Allgemeinen und diejenige von Darwin, Goethe und Lamarck im Besonderen, über die Anwendung derselben auf den Ursprung des Menschen und andere damit zusammenhängende Grundfragen der Naturwissenschaft. Georg Reimer, Berlin 1868, Kapitel 19, (Volltext)
  7. Ludwig Wilser: Die Rassen der Steinzeit. In: Correspondenz-Blatt der Anthropologischen Gesellschaft. Band 34, Nr. 12, 1903, S. 185–188. Dazu: Gustav Heinrich Ralph von Koenigswald: Early Man: Facts and Fantasy. In: The Journal of the Royal Anthropological Institute of Great Britain and Ireland. Band 94, Nr. 2, 1964, S. 67–79.

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