Ben B. Lindsey

Benjamin „Ben“ B. Lindsey (ca. 1905)

Benjamin „Ben“ Barr Lindsey (* 25. November 1869 in Jackson (Tennessee); † 26. März 1943 in Los Angeles) war ein amerikanischer Jurist und Sozialreformer. Bekannt wurde er zunächst als Richter am County Court von Denver im Bundesstaat Colorado, an dem er aus informellen Anfängen ein Jugendgericht entwickelte. Lindsey hatte 1901 begonnen, Kinder und Jugendliche als Schützlinge des Staates anzusehen und damit andere gesetzliche Vorschriften als die Strafgesetze auf sie anzuwenden. Er zeichnete 1903 und 1907 für Gesetze verantwortlich, die zunächst ein offizielles Jugend- und schließlich ein eigenständiges Jugend- und Familiengericht in Colorado etablierten. Mit seinen unkonventionellen Methoden, aber auch durch sein Talent zur Selbstdarstellung – er hielt landesweit Vorträge und trat auch in Filmen auf – wurde Lindsey einer der bekanntesten Jugendrichter der USA und als führender Repräsentant der Jugendgerichtsbewegung wahrgenommen. Als Richter zeigte er ungewöhnlich weitgehendes persönliches Engagement und stellte Resozialisierung in den Mittelpunkt seiner Tätigkeit. In seinem paternalistischen Verständnis der Funktion eines Jugendgerichts erschienen ihm rechtsstaatliche und justizförmige Verfahren wie die Bestellung von Verteidigern für die Angeklagten aber unnötig.

Lindsey war zugleich auf der politischen Bühne Colorados aktiv und gehörte dort zu den wichtigsten Reformern des Progressivismus. Von Haus aus Demokrat, profilierte er sich als Unabhängiger und betrieb mit den Mitteln direkter Demokratie kommunale, politische und soziale Reformen. Seine Kritik legte er in Zeitschriftenartikeln bzw. dem Buch The Beast (1910) nieder, mit dem er politische Korruption in Denver geißelte und Vorteilsnahmen unternehmerischer Privatinteressen auf Kosten der Gemeinschaft kritisierte. Für die Umsetzung seiner politischen Ziele konnte er auf die Unterstützung verschiedener Reformorganisationen und reformorientierter Politiker zählen, vor allem aber auf die Unterstützung politisch engagierter und organisierter Frauen. Zwischen 1910 und 1912 feierten die Reformer die größten politischen Erfolge in Colorado: Eine von Lindsey unterstützte Änderung der Verfassung Colorados erlaubte Gesetzgebung durch Volksabstimmungen und ein Reformkandidat wurde zum Bürgermeister von Denver gewählt.

Spätestens nach dem Ersten Weltkrieg kamen die Reformen in Colorado zum Erliegen. Lindsey geriet mit politischen Gegnern wie dem in Colorado besonders erstarkten Ku-Klux-Klan aneinander. Dem Klan gelang es 1927, Lindsey wegen angeblichen Wahlbetrugs aus seinem Amt als Jugendrichter zu klagen. Lindsey zog nach Kalifornien. Hier baute er sich eine zweite juristische Karriere auf, die ihn an die Spitze des 1939 auf seine Initiative neu eingerichteten Children’s Court of Concilliation im Los Angeles County brachte. Besonderes Aufsehen erregte in den 1920er-Jahren jedoch Lindseys sexual- und familienreformerisches Engagement. In viel diskutierten Aufsätzen und Büchern entwickelte Lindsey die Idee der „Kameradschaftsehe“, um Scheidungen kinderlos gebliebener Ehen zu erleichtern. Obgleich er sich vom Konzept der „Probeehe“ distanzierte und betonte, dass es ihm um ein Mittel gegen die zunehmende Zahl der Ehescheidungen ginge, wurden Lindseys Vorschläge gerade aus kirchlichen Kreisen scharf kritisiert.


© MMXXIII Rich X Search. We shall prevail. All rights reserved. Rich X Search