Brudermord (Osmanisches Reich)

Der Brudermord (türkisch kardeş katli; auch şehzâde katli ‚Prinzenmord‘ oder evlât katli ‚Deszendentenmord‘) war eine im Osmanischen Reich übliche, oft präventive Maßnahme zur Lösung von Erbstreitigkeiten innerhalb des Herrscherhauses. Neben der Vermeidung von Sukzessionskriegen sollte dadurch insbesondere die Unteilbarkeit des Erbes gesichert, mithin Landesteilungen verhindert werden. Im osmanischen Zusammenhang umfasst der Begriff des Brudermordes daher entgegen der Bezeichnung nicht nur die Tötung des (Halb-)Bruders, sondern auch die eines beliebigen erbberechtigten Blutsverwandten. Wurde ein Prinz hingerichtet, so teilten in der Regel auch dessen Söhne das gleiche Schicksal.

Bereits der Dynastiebegründer Osman I. soll im Zwist um die unangefochtene Stammesführerschaft seinen greisen Onkel eigenhändig umgebracht haben. Die ersten belegten Brudermorde fallen in die Herrschaftszeit Murads I., der 1360 zwei aufständische Brüder und 1385 einen rebellierenden Sohn hinrichten ließ. Beim Herrschaftsantritt Bayezids I. 1389 erfolgte erstmals die präventive Tötung eines nicht aufrührerischen Prinzen.

In den letzten Jahren der Regentschaft Mehmeds II., vermutlich zwischen 1477 und 1481, wurde die Tötung der Brüder „um der Ordnung der Welt willen“ (niẓām-ı ʿālem içün) ausdrücklich für angemessen und damit das Opfern bestimmter Einzelner zugunsten des Gemeinwohls für zulässig erklärt. Ihren Höhepunkt erreichte die Praxis unter Mehmed III., der 1595 bei seiner Thronbesteigung 19 Brüder und 1603 seinen ältesten Sohn hinrichten ließ. Mit der Thronbesteigung Mustafas I. im Jahr 1617 wurde zum ersten Mal die Erbfolge vom Vater auf den Sohn durchbrochen und nach dem Prinzip des Seniorats vorgenommen. Eine sowohl von Abdülmecid I. als auch Abdülaziz angestrebte Einführung der Primogenitur blieb letztlich aus, sodass in der neuen Verfassung von 1876 das Seniorat gesetzlich festgelegt wurde.


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