Deportation von Juden aus Deutschland

Die systematische Deportation von Juden aus Deutschland in den Osten begann Mitte Oktober 1941, also noch vor dem 20. Januar 1942, dem Tag der Wannseekonferenz. Quellen weisen darauf hin, Adolf Hitler habe diese Entscheidung um den 17. September 1941 herum getroffen.[1] Die aus dem Deutschen Reich deportierten Juden wurden zumeist nicht unmittelbar am Zielort ermordet. Einzelne Transporte endeten 1942 zwar schon in den Vernichtungslagern Sobibor oder Maly Trostinez, die meisten der Deportierten wurden aber zunächst unter widrigen Lebensbedingungen in Ghettos oder Arbeitslagern gefangen gehalten. Viele starben dort, andere wurden später in die Vernichtungslager weitertransportiert und dort ermordet. Ab Ende 1942 fuhren die Züge auch ohne Umweg nach Auschwitz-Birkenau.

Bei den Deportationen in die Ghettos, Konzentrations- und Vernichtungslager im Osten und der so genannten „Endlösung“ kam zwei staatlichen Behörden (und ihren nachgeordneten Dienststellen) zentrale Bedeutung zu: Die Abteilung IV B 4 des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) und die seit 1937 in das Reichsverkehrsministerium eingegliederte Deutsche Reichsbahn, die für den Personen- und Güterverkehr im gesamten von den Nationalsozialisten beherrschten Europa zuständig war. Nur im engverzahnten Zusammenwirken dieser beiden staatlichen Behörden waren die Deportationen und der Massenmord überhaupt möglich. Ohne das Schienennetz, die Verfügbarkeit von Eisenbahnzügen und die zahllosen reibungslos funktionierenden Beschäftigten der Deutschen Reichsbahn wären die Transporte in die Vernichtungslager und der millionenfache Mord an den europäischen Juden, Sinti und Roma u. a. nicht durchführbar gewesen.[2] Bei der Deportation von Juden aus Deutschland wirkten neben Gestapo-Beamten auch Zollbeamte, Gerichtsvollzieher, Verwaltungsbeamte, Fahrplangestalter, Polizisten als Wachpersonal und viele andere mit, deren „Beitrag“ für einen reibungslosen Ablauf unabdingbar war.[3]

Die Reichsbahn setzte für die Deportation aus dem Deutschen Reich zunächst vielfach alte, aus dem 19. Jahrhundert stammende, Abteilwagen der 3. Klasse ein, damals jedoch in grüner Farbe.

Im amtlichen deutschen Schriftverkehr und in Richtlinien[4] wurde der Begriff Deportation meist verharmlosend und scheinbar technisch umschrieben; die Juden wurden „abbefördert“, „ausgesiedelt“, „umgesiedelt“, „evakuiert“ oder „zur Abwanderung gebracht“,[5] eine „Wohnsitzverlegung nach Theresienstadt“[6] durchgeführt und das Reich „von Juden geleert und befreit.“[7]

  1. Albrecht Liess: Wege in die Vernichtung: Die Deportation der Juden aus Mainfranken 1941–1943. Begleitband zur Ausstellung des Staatsarchivs Würzburg und des Instituts für Zeitgeschichte München–Berlin. München 2003, ISBN 3-921635-77-2, S. 60; vgl. VEJ 3/223 = Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945 (Quellensammlung). Band 3: Deutsches Reich und Protektorat September 1939 – September 1941 (bearb. von Andrea Löw). München 2012, ISBN 978-3-486-58524-7, S. 542: Himmler informiert am 18. September 1941, der Führer wünsche die Deportation der Juden aus dem „Altreich“ und dem Protektorat Böhmen und Mähren.
  2. Raul Hilberg: Die Vernichtung der europäischen Juden. Ausg. 1982, S. 287. Heiner Lichtenstein: Mit der Reichsbahn in den Tod: Massentransporte in den Holocaust 1941–1945. Köln 1985, ISBN 3-7663-0809-2, S. 19. Helmut Schwarz: Das Räderwerk des Todes. Die Reichsbahn und die Endlösung der Judenfrage. (PDF; 1,8 MB) In: Zug der Zeit - Zeit der Züge. Deutsche Eisenbahn 1835–1985. Band 2. Siedler, Berlin 1985, S. 683–689. Alfred Gottwaldt, Diana Schulle: ’Juden ist die Benutzung von Speisewagen untersagt’: Die antijüdische Politik des Reichsverkehrsministeriums zwischen 1933 und 1945; Forschungsgutachten. Teetz 2007, ISBN 978-3-938485-64-4, S. 11 und 63 ff. Alfred Gottwaldt: Die ’Logistik des Holocaust‘ als mörderische Aufgabe der Deutschen Reichsbahn im europäischen Raum. In: Ralph Roth, Karl Schlögel. (Hrsg.): Neue Wege in ein neues Europa. Frankfurt am Main 2009, S. 261–280.
  3. Beate Meyer: Die Verfolgung und Ermordung der Hamburger Juden 1933–1945: Geschichte, Zeugnis, Erinnerung. Hrsg. vom Inst. für die Geschichte der Dt. Juden; Hamburg / Landeszentrale für politische Bildung, Hamburg 2006, ISBN 3-929728-85-0, S. 44 f.
  4. Alfred Gottwaldt, Diana Schulle: Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941–1945. Wiesbaden 2005, S. 146 ff. (Dok.: „Richtlinien zur technischen Durchführung der Evakuierung von Juden in das Generalgouvernement (Trawniki bei Lublin)“ des Reichssicherheitshauptamts vom Januar 1942).
  5. Michael Zimmermann: Regionale Organisation der Judendeportationen. In: Gerhard Paul, Michael Mallmann (Hrsg.): Die Gestapo – Mythos und Realität. Unv. Sonderausg. Darmstadt 2003, ISBN 3-89678-482-X, S. 358.
  6. H. G. Adler: Die verheimlichte Wahrheit – Theresienstädter Dokumente. Tübingen 1958, S. 20: Erlass vom 7. September 1942 betr. Wohnsitzverlegung statt Evakuierung.
  7. Himmlers Anweisung vom 18. September 1941 (VEJ 3/233) Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945 (Quellensammlung), Band 3: Deutsches Reich und Protektorat September 1939 – September 1941 (bearb. von Andrea Löw). München 2012, ISBN 978-3-486-58524-7, S. 542.

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