Europa (Tochter des Agenor)

Europa und der Stier
(Terrakotta-Gruppe aus Athen, um 470 v. Chr., Staatliche Antikensammlungen in München)

Europa (altgriechisch Εὐρώπη Eurṓpē; Näheres zum Namen siehe unter Europa), eine Gestalt der griechischen Mythologie, ist die Tochter des phönizischen Königs Agenor und der Telephassa.[1], in die sich der Götterkönig Zeus verliebte. In der Neuzeit hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass es sich bei der Entführung Europas um eine der Liebesaffären handle, bei denen Zeus sich in eine schöne junge Frau verliebt und sie hinter dem Rücken seiner eifersüchtigen Gattin Hera (römisch Juno) vergewaltigt, die dafür an der Rivalin furchtbar Rache nimmt. Diese Deutung steht jedoch, wie die Forschung durch eine im Jahre 2016 publizierte Analyse sämtlicher erhaltener literarischer und archäologischer Zeugnisse gezeigt hat, im Widerspruch zur einhelligen Anschauung der griechisch-römischen Antike, in der der Europa-Mythos als ein Brautraub des Zeus mit dem Ziel einer Eheschließung verstanden wurde.[2] In der antiken Überlieferung ist Zeus nämlich, als er sich in Europa verliebt, weder mit Hera noch mit einer seiner früheren Gattinnen verheiratet, und statt die Geliebte dort, wo er sie antrifft, zu vergewaltigen, verwandelt er sich in einen Stier, um sie über das Meer nach Kreta zu bringen, wo er selbst geboren und aufgezogen worden ist.[3] Erst dort, also in der Heimat des Bräutigams, wird nach der Rückverwandlung des Stiers in den Gott die Ehe vollzogen. Folgerichtig fehlt in diesem Mythos auch das für den Typus der Liebesaffären typische Strukturelement der Rache Heras.

Aus der Ehe mit Europa gehen die drei Zeus-Söhne Minos, Rhadamanthys und Sarpedon hervor. Freilich bleibt Zeus nicht dauerhaft mit Europa verheiratet, was man in der Antike aber nicht für erklärungsbedürftig gehalten hat. Berichtet wird jedoch, dass er für ihre Zukunft gesorgt und sie dem Kreter-König Asterios (oder Asterion) zur Frau gegeben habe, der dadurch zum Ziehvater der von Zeus gezeugten Söhne Europas wurde.[4] Darüber hinaus erhält Europa die Verheißung, dass ihr Name durch die Benennung eines Erdteils weiterleben werde.[5]

  1. Bibliotheke des Apollodor 3,1,2
  2. Konrad Heldmann: Europa und der Stier oder der Brautraub des Zeus. Die Entführung Europas in den Darstellungen der griechischen und römischen Antike. Göttingen 2016; Niklas Holzberg in: Gymnasium 124 (2017), 61f.
  3. Hesiod, Theogonie 477-480; Moschos, Europa 158-160.
  4. Apollodor, Bibliotheke 3,1-3; Scholion zu Homer, Ilias 12,292 = Hesiod Fr. 140 MW.
  5. Moschos, Europa 15; Horaz, Carmen 3,27,75f.

© MMXXIII Rich X Search. We shall prevail. All rights reserved. Rich X Search