Geschichte der Juden in Litauen

Die hölzerne Synagoge in Wolpa bei Grodno; erbaut 1643, niedergebrannt 1942

Die Geschichte der Juden in Litauen geht bis ins frühe Mittelalter zurück. Litauen wird im Folgenden nicht als politisches Territorium, sondern als Kulturraum verstanden. Die ersten Juden waren wahrscheinlich von Südosten ins Gebiet des späteren Großfürstentums Litauen eingewandert.[1] In bedeutend größerer Zahl wanderten aschkenasische Juden ab Ende des 11. Jahrhunderts infolge der Judenverfolgungen während der Zeit der Kreuzzüge und der großen Pest sowie zahlreicher lokaler Massaker und Vertreibungen aus deutschsprachigen Gebieten ostwärts zuerst in die slawischen und dann auch in die baltischen Länder ein. Die zumeist religiös toleranten polnischen und litauischen Herrscher förderten die Ansiedlung jüdischer Einwanderer, deren Kenntnisse und Kontakte für die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Länder von großem Nutzen waren. Nicht nur im Königreich Polen, sondern auch im aus der Personalunion von Litauen und Polen als Teil der Realunion verbleibenden Großfürstentum Litauen, das mit dem in der jüdischen Kulturgeschichte als „Litauen“ (hebräisch „Lita“ oder „Lito“, jiddisch „Lite“) bezeichneten Gebiet weitgehend übereinstimmt, wuchs die Zahl der jüdischen Bevölkerung und der jüdischen Gemeinden, denen eine weitgehende Autonomie in inneren Angelegenheiten zugestanden wurde. Im 17. und 18. Jahrhundert entwickelte sich das Großfürstentum Litauen allmählich zu einem der Zentren des Ostjudentums mit Wilna, das als „Jerusalem Litauens“ oder „Jerusalem des Nordens“ bezeichnet wurde, als seinem Mittelpunkt und bildete die Grundlage dessen, was sich im 19. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg zu einer typisch litauisch-jüdischen Kultur und Gelehrsamkeit entfaltete.

Vor der deutschen Besatzung während des Zweiten Weltkrieges lebten mehr als eine Million Juden auf dem Gebiet des historischen Litauens, verteilt auf sechs Staaten: Lettische SSR: 94.000, Litauische SSR: 147.000, Polen: 505.000, Russische SFSR: 4000, Weißrussische Sozialistische Sowjetrepublik: 375.000, Ukrainische SSR: 32.000. Mehr als 90 % von ihnen wurden während der deutschen Besatzung von Deutschen und ihren lokalen Helfern ermordet.[2]

Die Existenz von Juden in Litauen ist für das Jahr 997 bezeugt.[3] In Eishyshok, litauisch Eišiškės, einer kleinen Stadt südlich von Wilna, wurden jüdische Grabsteine gefunden, die bis ins späte 11. Jahrhundert zurückgehen.[4] Der Historiker Abraham Harkavy vertrat die Auffassung, dass Juden aus Babylonien und anderen Gebieten des Vorderen Orients im 9. und 10. Jahrhundert nach Litauen eingewandert sind. Sowohl Harkavy als auch andere Historiker halten es für wahrscheinlich, dass sich Juden aus dem Chasarenreich nach dessen Untergang ab dem 10. Jahrhundert in den befestigten Städten Litauens als internationale Händler niederließen, insbesondere in Grodno, Kowno, Minsk und Pinsk. Sie standen als servi camarae regis unter dem Schutz der Fürsten.[5] Simon Dubnow und mit ihm die Mehrzahl der Historiker gehen davon aus, dass Juden erstmals infolge des ersten Kreuzzuges Ende des 11. Jahrhunderts aus deutschsprachigen Gebieten nach Litauen eingewandert sind.[3] Auf Dauer sesshaft wurden Juden im Großfürstentum Litauen jedoch wahrscheinlich erst in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts.[6]

  1. Herman Rosenthal: Origin of Lithuanian Jews Artikel „Lithuania“ in: Jewish Encyclopedia, Band 8, New York/London 1904, S. 119 (englisch). Abgerufen: 28. Januar 2010
  2. Dovid Katz: Lithuanian Jewish Culture. Vilnius 2004, S. 22 ff. und 323 (englisch)
  3. a b Dovid Katz: Lithuanian Jewish Culture. Vilnius 2004, S. 51 (englisch)
  4. Yaffa Eliach: There Once Was a World. Boston 1998 (englisch) ISBN 0-316-23252-1 online
  5. Masha Greenbaum: The Jews of Lithuania. A history of a remarkable community, 1316–1945. Jerusalem 1995, S. 2f. (englisch), ISBN 965-229-132-3.
  6. Shmuel A. Arthur Cygielman: Jewish autonomy in Poland and Lithuania until 1648 (5408). Cygielman, Jerusalem 1997, ISBN 965-90187-0-3, S. 6–7.

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