Gesunder Menschenverstand

Als der gesunde Menschenverstand, auch Gemeinsinn, von lateinisch sensus communis oder Hausverstand wird zum einen ein normaler oder natürlicher Verstand bzw. das Denkvermögen eines Menschen bezeichnet,[1] zum anderen das einfache, erfahrungsbezogene und allgemein geteilte Verständnis einer Sache, so wie sie sich einem „natürlichen Urteilsvermögen“ darstellt. Immanuel Kant zufolge ist er „nichts anderes als der durchschnittliche Verstand eines gesunden Menschen“.[2]:18

Es gibt Ansätze, verschiedene Bedeutungsnuancen von „gesunder Menschenverstand“, „Gemeinsinn“, „Urteilskraft“ usw. unter Common Sense in einem Zusammenhang und damit neu zu betrachten.[3] Nach einem Zitat von John Searle geht es beim gesunden Menschenverstand bzw. common sense „im großen und ganzen um weitverbreitete und normalerweise unbestrittene Überzeugungen“.[4]

Stets sind aber drei Aspekte unterscheidbar: Erstens die Vorstellung eines „Normalverstands“, eines durchschnittlichen Urteilsvermögens, das keine methodischen Umwege geht und nicht durch Lehrmeinungen oder Vorurteile in seinem Urteil getrübt wird; zweitens ein empirisch arbeitender Verstand, der konkrete, anschauliche Urteile, auf Basis alltäglicher (Lebens-)Erfahrung fällt und eher auf praktische Anwendung ausgerichtet ist als auf abstrakte Theorie; drittens die Vorstellung von einem allgemein von mündigen Menschen geteilten Verständnis der Dinge, das in seinen Urteilen auf die (wirklichen und möglichen) Urteile aller anderen Rücksicht nimmt.[5]:22ff., 47ff. Der erste Aspekt schlägt eine Verbindung zum Gemeinsinn, der dritte Aspekt zu einer überlegten Rücksichtnahme und eines Wohlwollens für die Gemeinschaft, die ebenfalls als Gemeinsinn bezeichnet wird.

Gerd Gigerenzer gibt vier Fähigkeiten an, die zusammen den gesunde Menschenverstand ausmachen:[6]

Gesunder Menschenverstand bezeichnet im Alltagsgebrauch nicht nur eine Form von Verstand, sondern auch dessen Urteile. Letztere haben sich in vielen Sprichwörtern und Volksweisheiten manifestiert; als konkreter, pragmatischer „Laienverstand“ wird er oft in Opposition zu einem als „abstrakt“ bzw. „spekulativ“ bezeichneten Expertenverstand gebraucht und Theorie und praktische Erfahrung gegenübergestellt, obwohl sie aufeinander angewiesen sind.[5]:20ff., 25, 29 Als „gemeiner Verstand“ – also im unkritischen Gebrauch – neigt der gesunde Menschenverstand zur steten Wiederaufnahme von Gemeinplätzen und sogar zu Vorurteilen. „Ein Gewinn ist sein Gebrauch vor allem dort, wo er sich auskennt“.[5]:14 Die Gewohnheit, sich unkritisch auf ihn zu berufen, hat ihn laut Robert Nehring stark in Verruf gebracht.[5]:14

  1. Eintrag gesunder Menschenverstand im Digitalen Wörterbuch der Deutschen Sprache (13. Februar 2023)
  2. Rafael Ferber: Philosophische Grundbegriffe. 6. Auflage. Beck, München 1999
  3. David Steindl-Rast: Common Sense: Die Weisheit, die alle verbindet. München 2009.
  4. Geist, Sprache und Gesellschaft. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2004, ISBN 978-3-518-29270-9, S. 21.
  5. a b c d Robert Nehring: Kritik des Common Sense: Gesunder Menschenverstand, reflektierende Urteilskraft und Gemeinsinn – der Sensus communis bei Kant. Duncker & Humblot, Berlin 2010, ISBN 978-3-428-13161-7.
  6. Gerd Gigerenzer: Klick – Wie wir in einer digitalen Welt die Kontrolle behalten und die richtigen Entscheidungen treffen. 1. Auflage. Pantheon, München 2022, ISBN 978-3-570-55476-0, S. 132.

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