Manitu

Das Wort manito in Cree-Silbenschrift (sowohl auf Cree als auch auf Ojibwe)
Kitchi-Manitu in Cree-Silbenschrift: Kicemanito (Neues Testament auf Cree 1876), Kisemanitô (Bibel auf Cree 1862), Kisemanitow (Neues Testament auf Cree 1908), Kishemanito (Neues Testament auf Ojibwe 1988), Chisamanitu (Neues Testament auf Naskapi 2007)

Manitu, Manito, Manitou oder Manit ist in den Algonkin-Sprachen Nordamerikas ein zentraler Begriff aus der traditionellen Religion der algonkinsprachigen Indianer. Sinngemäß bedeutet Manitu das Allumfassende Geheimnis bzw. die Große Kraft, die in allen Wesen, Dingen, Tätigkeiten und Erscheinungen enthalten ist. Wenn eine Wolke oder ein Gebrauchsgegenstand als Manitu bezeichnet wird, so deshalb, weil der Geist (vorübergehend) diese Form angenommen hat oder in ihr wohnt (siehe auch: Animismus). Viele Aufzeichnungen belegen, dass diese Vorstellung immer dann assoziiert wurde, wenn alltägliche Dinge über herausragende oder ungewöhnliche Eigenschaften verfügten. Bei vielen Gruppen wurde der Begriff sowohl im Singular – für die „eine, höchste Macht“ – als auch im Plural – für die übernatürlichen, persönlich gedachten „Eigner“ von Wesen oder Gegenständen – verwendet.[1]

Die übergeordnete „Summe aller Kräfte“ wird als Kitchi Manitu bezeichnet. Dies wird zumeist als eine pantheistisch den gesamten Kosmos durchdringende – nicht persönliche, „körperlich wahrnehmbare“ – Hochgottheit oder „Weltseele“ vorgestellt.[2]

Ursprünglich bezeichnet (Kitchi) Manitu also weder eine „bewusstlose“ naturgesetzliche Macht noch einen persönlich gedachten, anthropomorphen Gott.[3] Die schnelle Adaption des christlichen Gottes macht es jedoch wahrscheinlich, dass das Manitu-Konzept durchaus ursprünglich auch als „höchstes Wesen“ angesehen wurde. Bei den nördlichen Algonkin gab es etwa den Ausdruck „Herr des Lebens“. Der deutsche Ethnologe Werner Müller geht davon aus, dass Manitu vormals sowohl höchstes Wesen als auch Summe alles Übernatürlichen gewesen sei. Im heutigen Panindianismus wird der Begriff häufig mit „Großer Geist“ übersetzt und synonym mit ähnlichen Konzepten anderer Stämme als Schöpfergott im Sinne des christlichen Gottes mit „indianischer Prägung“ verwendet.[1]

Missionare – insbesondere bei den Cree und Anishinabe – setzten Kitchi Manitu jedoch in der Regel mit der christlichen Gottesvorstellung gleich, belegten so den Begriff neu und verbreiteten diese vom ursprünglichen Konzept abweichende Vorstellung auch im englisch- und französischsprachigen Raum. Die Unterscheidung der Begriffe Kitchi Manitu (Großer Manitu), Mino Manitu (Guter Manitu, der christliche Gott) und Matchi Manitu (Böser Manitu, der Teufel) bezeugt jedoch, dass die Gottesvorstellungen der Algonkin und der Christen früher unterschiedlich waren.[1]

Die zum Teil voneinander abweichenden Beschreibungen in ethnographischen Texten beruhen auf Fehlinterpretationen (vor allem bei Missionaren) und Übersetzungsfehlern, aber auch auf durchaus unterschiedlichen Vorstellungen bei den weit verstreuten Algonkin-Stämmen.[1]

  1. a b c d Christian F. Feest: Beseelte Welten – Die Religionen der Indianer Nordamerikas. In: Kleine Bibliothek der Religionen, Bd. 9, Herder, Freiburg / Basel / Wien 1998, ISBN 3-451-23849-7. S. 74–77.
  2. Nils Olav Breivik: Høygud og Kulturbringer. Til Werner Müllers förståelse av de sentrale skogsindianeres religioner. In: Religionsvidenskabeligt Tidsskrift. Nr. 12, 1988, S. 3–24, insbesondere 5–6.
  3. Thomas Schweer: Stichwort Naturreligionen. Heyne, München 1995, ISBN 3-453-08181-1. S. 56.

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