Niedrigzinspolitik

Leitzinsen des Federal Reserve System (in Blau) und der Europäischen Zentralbank (in Rot) in den Jahren 1999 bis 2015: Niedrigzinspolitik ab 2008

Niedrigzinspolitik (umgangssprachlich auch „Politik des billigen Geldes“) ist die Gesamtheit der geldpolitischen Maßnahmen einer Zentralbank, die das allgemeine Zinsniveau (Marktzinsen) in einem Währungsraum auf einen niedrigen Level senken oder dort halten sollen. Ein bedeutendes Finanzinstrument hierfür ist der Leitzins, durch dessen Senkung die Zentralbank die Geschäftsbanken in die Lage versetzt, niedrigere Kreditzinsen für deren Kredite an Unternehmen und Privathaushalte zu vereinbaren. Durch diese Art der Senkung der Kapitalkosten sollen Investitionen sowie Konsum und damit die Konjunktur einer Volkswirtschaft angeregt werden. Über den Kauf von Staatsanleihen oder privaten Wertpapieren (quantitative Lockerung) verfügt eine Zentralbank über ein weiteres Instrument zur Senkung der Marktzinsen; als zusätzliches Instrument wird seit 2015 das Helikoptergeld diskutiert.

Die nach der Weltfinanzkrise von 2008 bis 2022 vollzogene Niedrigzinspolitik der größten Zentralbanken ging mit einem deutlichen Anstieg privater und öffentlicher Schulden, einer Erhöhung damit verbundener Ausfallrisiken und einer das Wirtschaftswachstum deutlich überschreitenden Ausweitung der Geldmenge einher. Auch wenn sich Inflationserwartungen vom Geldmengenwachstum (zeitweise) entkoppeln können,[1] gilt nach der von vielen Ökonomen vertretenen Quantitätstheorie das Geldmengenwachstum mittel- und langfristig als wichtigster Treiber von Inflation und Vermögenspreisinflation.[2] Ein bedeutender Faktor ist auch die importierte Inflation, die durch Inflation im Ausland und durch Abwertung der inländischen Währung entsteht, insbesondere indirekt durch Glaubwürdigkeitsverlust der inländischen Währung auf dem internationalen Geldmarkt.

Niedrige Zinsen gefährden insofern die Preisniveaustabilität. Sie begünstigen Deficit spending, Staatsverschuldung, Schuldner und Anleger, benachteiligen Verbraucher und Gläubiger, insbesondere Sparer auf Sichteinlagen, erzeugen finanzielle Repression und leisten der Entstehung eines Cantillon-Effekts Vorschub.[3] Noch 2016 galt Niedrigzinspolitik mit Zinssätzen wenig über, auf oder gar unter Null als „unkonventionell“.[4]

  1. Matthias Diermeier, Henry Goecke: Geldmenge und Inflation in Europa: Ist der Zusammenhang verloren? In: IW policy paper, 17/2016, S. 5 (PDF)
  2. Gunther Schnabl: Die gefährliche Missachtung der Vermögenspreisinflation: Zur Wirkungslosigkeit von Inflationszielen als geldpolitische Regelmechanismen. In: Leviathan, Band 43, Heft 2 (2015), S. 246–269
  3. Gunther Schnabl: Die anhaltend lockere Geldpolitik hat gesellschaftlich unerwünschte Verteilungseffekte. In: ifo Schnelldienst. 20/2019, 72. Jahrgang, 24. Oktober 2019, S. 6 (PDF)
  4. Nouriel Roubini: The New Abnormal for a Troubled Global Economy. Artikel vom 14. Januar 2016 im Portal time.com, abgerufen am 13. August 2020

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