Polygenie

Polygenie (aus dem Altgriechischen abgeleitet für vielfache Abstammung, englisch polygene meist als polygenic nur als Adjektiv gebraucht) ist ein Begriff aus der Genetik. Er wird für Fälle verwendet, in denen die im jeweiligen Interesse stehende Ausprägung eines Merkmals des Phänotyps, zum Beispiel eine Erbkrankheit, von mehr als einem einzelnen Gen abhängt. Kann die beobachtete Merkmalsverteilung durch genetische Unterschiede, genannt verschiedene Allele, an einem einzelnen Genlocus erklärt werden, spricht man im Gegensatz dazu von Monogenie.

Wie ein einzelnes Merkmal sehr oft von verschiedenen Genen abhängen kann, kommt es verbreitet ebenso vor, dass ein einzelnes Gen (eigentlich: ein Allel eines Gens) verschiedene Merkmale gleichzeitig beeinflusst, dies wird dann auf das Gen bezogen Pleiotropie oder, bezogen auf das Merkmal selbst, Polyphänie genannt. Vereinfacht kann daher gesagt werden: Polygenie: ein Merkmal, verschiedene Gene; Polyphänie (oder Pleiotropie): ein Gen, verschiedene Merkmale.

In der klassischen formalen Genetik (auch mendelsche Genetik) sind Erbgänge, die durch die Interaktion verschiedener Gene geprägt sind, schwierig zu untersuchen, weil die Merkmalsverteilung bei ihnen nicht der dritten Mendelschen Regel (Unabhängigkeitsregel) folgt. Sind nur wenige Gene betroffen, lässt sich die Merkmalsverteilung in Kreuzungsexperimenten meist noch auf eine zwar größere, aber überschaubare Reihe ergänzender Regeln zurückführen, die die Form dieser Interaktionen berücksichtigt. Sind – wie bei den meisten realen Merkmalen – viele oder sehr viele Gene an der Merkmalsausprägung beteiligt, versagt dieser Forschungsansatz ganz. Diese Merkmale werden „quantitative“ (auch komplexe oder additive) Merkmale genannt. Nach einem auf Ronald Aylmer Fisher zurückgehenden Forschungsansatz erfolgt ihre Untersuchung mit statistischen Methoden, die Forschungsrichtung wird quantitative Genetik genannt. Die Untersuchung polygener Merkmale entspricht also in etwa dem Bereich der quantitativen Genetik, diejenige monogener Merkmale der mendelschen Genetik. Merkmale, die von einer überschaubaren Anzahl von Genen beeinflusst werden, fallen in eine Grauzone, in der beide Ansätze konkurrierend eingesetzt werden können. Diese wurden klassisch ebenfalls polygen genannt, heute hat sich dafür stattdessen der Ausdruck „oligogen“ durchgesetzt.[1] Genetiker sprechen heute also, im Gegensatz zu den Pioniertagen der Genetik, von Polygenie meist nur noch für quantitative Merkmale, die von einer großen (oft nicht abzählbaren) Zahl von Genen abhängen.[2]

  1. R. Rieger,A. Michaelis,M.M. Green: Glossary of Genetics and Cytogenetics: Classical and Molecular. Springer Verlag, 4. Auflage 2012. ISBN 978-3-642-96327-8. auf Seite 74.
  2. vgl. „polygene: one of a group of genes that together control a quantative character.“ (Eines einer Gruppe von Genen, die gemeinsam ein quantitatives Merkmal kontrollieren). in: Robert C. King, William D. Stansfield, Pamela K. Mulligan: A Dictionary of Genetics. Oxford University Press, siebte Auflage 2006. ISBN 978-0-19-530762-7.

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