Schriftrollen vom Toten Meer

Tempelrolle 11QTa (11Q19) im Schrein des Buches (Israel-Museum, Jerusalem)

Die Schriftrollen vom Toten Meer (englisch Dead Sea Scrolls) oder Qumran-Handschriften sind eine Gruppe von antiken jüdischen Texten, die elf Höhlen nahe der archäologischen Stätte Khirbet Qumran im Westjordanland zugeordnet werden. Von 1947 bis 1956 wurden die Höhlen entdeckt, meist von Beduinen. Die Handschriften wurden teils aus dem Antikenhandel erworben, teils bei der archäologischen Untersuchung der Höhlen gefunden. Etwa 15 Buchrollen sind noch als solche erkennbar. Der Rest, geschätzt 900 bis 1000 Rollen, ist in mehr als 15.000 Fragmente zerfallen. Die Handschriften werden aufgrund der Buchstabenformen (paläografisch) in die Zeit vom 3. Jahrhundert v. Chr. bis ins 1. Jahrhundert n. Chr. datiert. Mit der Radiokarbonmethode wurde diese Datierung in einigen Fällen überprüft und bestätigt. Die meisten Texte sind in hebräischer Sprache verfasst; fast alle sind literarisch und haben einen religiösen Inhalt. Alltagstexte wie zum Beispiel Briefe gibt es kaum. Der literarische Charakter unterscheidet die Qumranhandschriften von anderen antiken Textfunden in der Region (mit Ausnahme von Masada) und lässt sie, trotz der Vielfalt des Inhalts, für viele Fachleute als zusammengehörig erscheinen.

Für die Textgeschichte der Hebräischen Bibel (des jüdischen Tanach bzw. des christlichen Alten Testaments) sind die Schriftrollen vom Toten Meer von herausragender Bedeutung. Der später im Judentum kanonisch gewordene Masoretische Text steht einem Typ von Qumranhandschriften sehr nahe, was das Alter und die Qualität der jüdischen Schreibertradition unterstreicht. Dieser proto-masoretische Text hat aber kein Monopol. Es gibt unter den biblischen Qumranhandschriften ein gleichwertiges Nebeneinander verschiedener Texttypen.

Das hellenistische und frührömische Judäa war bis zu den Qumranfunden fast nur durch Schriften bekannt, die in einem jahrhundertelangen, meist christlich gesteuerten Auswahlprozess überliefert worden waren. Die Qumranhandschriften dagegen enthalten ein von mittelalterlichen Kopisten unzensiertes Spektrum antiker jüdischer Literatur. Im Mittelpunkt steht die Tora: Manche Qumranschriften rücken eine Haupt- oder Nebenfigur der Tora ins Zentrum. Es gibt freie Nacherzählungen von Tora-Stoffen. Andere Autoren brachten die Rechtstexte der Tora in eine neue Reihenfolge und entwickelten sie weiter.

Im Qumranschrifttum hebt sich eine Gruppe von Texten heraus, die in einer jüdischen Gemeinschaft mit besonderer Prägung verfasst worden waren. Diese Gemeinschaft nannte sich selbst Jachad und wird in der Forschung oft mit den Essenern identifiziert. Mitglieder des Jachad befolgten die Gebote der Tora mit großer Radikalität und darüber hinaus eigene Gebote, von denen man außerhalb des Jachad nichts wusste. Der Jachad lehnte den Jerusalemer Tempel ab und glaubte, dass die Liturgie in der eigenen Gruppe den Jerusalemer Opferkult ersetzen könne. Viele Verfasser waren überzeugt, in der Endzeit zu leben. Das war kompatibel mit einem Interesse an Weisheitsliteratur, die im Spektrum der Qumranschriften gut vertreten ist. Was unter den erhaltenen außerbiblischen Schriftrollen vom Toten Meer dagegen fehlt, sind historische Werke.

Personen des Urchristentums werden in den durchschnittlich 100 Jahre älteren Qumrantexten nicht genannt. Für die Judaistik eröffnen die Handschriften vom Toten Meer neue Einsichten in die Entwicklung der Halacha.


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