Tribun (Venedig)

Das Amt des Tribuns bestand in Venedig und den Orten der Lagune spätestens ab dem frühen 6. und bis zum Ende des 9. Jahrhunderts. Die Tribunen waren, so die gängige Meinung, lokale Vertreter der Inseln in der Lagune, die für Verwaltungs- und Rechtsfragen zuständig waren. Sie erscheinen dort als tribuni maritimorum in den Quellen erstmals gegen Ende des Ostgotenreichs, wenige Jahre bevor dem Oströmischen Reich 540 die Eroberung seiner Hauptstadt Ravenna gelang. Mit der Eroberung Oberitaliens durch die Langobarden ab 568/69 und der zunehmenden Abwanderung der davon betroffenen Bevölkerung in die Lagune, deren Inseln für die Eroberer unzugänglich waren, wuchsen ihre Aufgaben und Zuständigkeiten. Als 751 Ravenna von Langobarden erobert wurde, endete endgültig die unmittelbare Machtausübung durch den dortigen Vertreter des oströmisch-byzantinischen Kaisers. Ob dies die Tribunen waren, ist nicht gesichert. Es ist auch die Zahl der Tribunen ebenso wenig bekannt wie es ihre Amtsorte sind. Dies gilt darüber hinaus für die Frage, ob und inwiefern das Amt erblich wurde und inwieweit es Einfluss auf die Etablierung des stadtvenezianischen Adels hatte.[1]

Von der venezianischen Geschichtsschreibung wurde das Tribunat weitgehend ignoriert, da die Nähe zum römischen Volkstribun zu groß war, der in den Augen der dominierenden Adelsfamilien für die Spaltung der römischen Gesellschaft stand. Daher lösten die Dogen nach dieser Darstellung die Herrschaft der Tribunen ab. Von der allgemeinen Geschichtsschreibung wurde das Tribunat fälschlicherweise als Symbol einer bis ins frühe 6. Jahrhundert zurückreichenden Souveränität Venedigs, oder im Gegenteil, einer ebenso weit zurückreichenden Abhängigkeit von den festländischen Mächten, wie dem Reich der Ostgoten oder dem Frankenreich, gedeutet.

  1. Grundlegend: Andrea Castagnetti: La società veneziana nel Medioevo, Bd. I: Dai tribuni ai giudici, Verona 1992, S. 19–86; Giorgio Zordan: L’ordinamento giuridico veneziano. Lezioni di storia del diritto veneziano con una nota bibliografica, Padua 1980, S. 15–61.

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