Koranismus

Der Koranismus (arabisch القرآنية, DMG al-Qurʾānīya) ist eine Strömung im Islam, deren Anhänger den Koran als einzige textliche Quelle des Glaubens ansehen und Hadithe als Grundlage für Theologie und Normenlehre ablehnen. Koranisten (arabisch أهل القرآن, DMG Ahl al-Qurʾān) glauben, dass Gottes Botschaft im Koran klar und vollständig ist und daher vollumfänglich verstanden werden kann, ohne auf Hadithe Bezug zu nehmen.

Erste Kritiker der Hadithüberlieferungen gab es schon zu Zeiten des Gelehrten asch-Schāfiʿī; ihre Argumente fanden jedoch keinen großen Anklang unter den Muslimen. Ab dem 19. Jahrhundert begannen reformistische Denker wie Sayyid Ahmad Khan, Abdullah Chakralawi und später Ghulam Ahmad Parwez in Indien, die Hadithe und die islamische Tradition systematisch anzuzweifeln und koranistische Organisationen zu gründen. Parallel dazu gab es eine langjährige Diskussion zur alleinigen Autorität des Korans in Ägypten, angestoßen durch einen Artikel von Muhammad Tawfīq Sidqī in der Zeitschrift al-Manār. Der Koranismus erhielt im 20. Jahrhundert außerdem eine politische Dimension, als Muammar al-Gaddafi den Koran zur Verfassung Libyens erklärte. Durch ägyptische Gelehrte wie Rashad Khalifa und Ahmad Subhy Mansour, die in die Vereinigten Staaten zogen, breiteten sich koranistische Ideen auch in vielen weiteren Ländern aus. So gibt es heute Koranisten in Nigeria, Malaysia und der Türkei, aber auch in europäischen Ländern wie der Schweiz.

Die Ablehnung der Hadithe führt in einigen Fällen zu drastischen Unterschieden bei den gottesdienstlichen Verrichtungen. Die größten Diskrepanzen bestehen dabei beim rituellen Gebet. Während einige Koranisten klassisch fünfmal am Tag beten, reduzieren andere die Anzahl auf drei oder sogar zwei tägliche Gebete. Auch bei den Details des Gebets oder anderen Verrichtungen wie der Zakāt und dem Fasten gibt es unterschiedliche Ansichten.


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